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Wider die paradiesischen Zustände

Von Simon Rosner

Politik

SPÖ bringt Antrag auf Verschärfung gegen Steuerflucht in den Nationalrat ein, Körperschaftsteuer sprudelt auf Rekordniveau.


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Wien. Es ist ein gutes Jahr für den Finanzminister. Bisher zumindest, denn noch ist ja über die Ministerposten in der kommenden Regierung nicht gesprochen worden. Offiziell. Ob Hans Jörg Schelling Finanzminister bleibt, ist ungewiss, wahrscheinlich ist dies eher nicht. Noch aber kann er sich an den sprudelnden Steuereinnahmen erfreuen, vor allem die Umsatz- und die Körperschaftsteuer haben in den ersten drei Quartalen stark zulegt.

Die Frage ist: Könnte es noch ein bisserl mehr sein? Die am Wochenende vom internationalen Recherchenetzwerk ICIJ unter Federführung der "Süddeutschen Zeitung" publizierten Aufdeckungen über Offshore-Veranlagungen legen dies zumindest nahe. Zumal es nicht das erste derartige Datenleck war, das offenbart, dass global agierende Konzerne, internationale Geschäftsleute und Investoren, Sportler, Monarchen etc. ihre Steuerleistung minimieren.

Der französische Ökonom Gabriel Zucman, der bei Thomas Piketty ("Das Kapital im 21. Jahrhundert") promoviert hat und an der Universität in Berkeley forscht, hat eine Berechnung vorgenommen, wonach der EU jedes Jahr 60 Milliarden Euro an Unternehmensteuern entgehen. Österreich könnte seine Einnahmen bei der Körperschaftsteuer laut Zucman um etwa 13 Prozent erhöhen, Deutschland sogar um 32,2 Prozent.

Im Finanzministerium ist man diesen Zahlen gegenüber skeptisch. "Wir gehen nicht davon aus, dass es einen maßgeblichen Steuerausfall gibt", sagt ein Sprecher. In den veröffentlichten Dokumenten finden sich tatsächlich wenige Bezüge zu Österreich, doch das muss nicht viel heißen. Das Ministerium verweist allerdings auf eine Reihe von Gesetzesänderungen in den vergangenen Jahren, die das Verschieben von Gewinnen deutlich erschwert haben.

So ist es hierzulande de facto nicht mehr möglich, angefallene Gewinne mit Lizenzzahlungen an ausländische Muttergesellschaften zu verkürzen. Genau dieses Modell hat beispielsweise der US-Gigant Nike gewählt, wie die ICIJ-Aufdeckungen gezeigt haben. Die Europa-Tochter von Nike in den Niederlanden hat Lizenzen (etwa für das Logo) an die auf den Bermudas residierende Nike-Mutter entrichtet und damit den zu versteuernden Profit reduziert.

Vor einem Jahr ist in Österreich auch das Verrechnungspreisdokumentationsgesetz in Kraft getreten. Dahinter steckt, vereinfacht gesagt, die Absicht, großen, multinational agierenden Unternehmen genauer auf die Finger zu schauen, wenn sie innerhalb ihrer Konzernfamilie Transaktionen vornehmen. Im Finanzministerium wurde zu diesem Zweck auch eine spezialisierte Einheit gebildet, die Großunternehmen in dieser Hinsicht prüft.

SPÖ fordert Nachbesserungen

Dass sich die Einnahmen der Körperschaftsteuer in den vergangenen zehn Jahren von 4,6 auf 7,3 Milliarden Euro erhöht haben, ist aber natürlich vor allem konjunkturell begründet. Die Bedeutung der legistischen Maßnahmen, um Steuerminimierung zu verhindern und Schlupflöcher zu schließen, lässt sich seriös nicht quantifizieren. Aus Sicht der SPÖ müsse aber sowohl national wie international gesetzlich nachgebessert werden.

Schon im Frühjahr hatten die Sozialdemokraten einen Forderungskatalog präsentiert, sie wird ihn aktualisiert als Initiativantrag in der ersten Sitzung der XXVI. Gesetzgebungsperiode am Donnerstag einbringen. "Es braucht europäische und nationale Maßnahmen, das eine geht ohne das andere nicht", sagt Evelyn Regner, die für die SPÖ im EU-Parlament sitzt. Nach einem Untersuchungsausschuss zu früheren Aufdeckungen hat sich das EU-Parlament schon auf zahlreiche Empfehlungen geeinigt. "Das Problem ist aber der Rat", sagt sie.

Es ist das alte Dilemma. Alle wollen dasselbe, aber am liebsten will man unter 27 Mitgliedern die eine Ausnahme sein. Und so gibt es keine klare Definition von Steueroasen, keine einheitliche Linie bei Meldepflichten und Sanktionen. Malta und Zypern sind traditionell gegen Verschärfungen, aktuell profitieren die beiden EU-Kleinstaaten von "aggressiver Steuerplanung", wie es Regner formuliert. Aber auch Österreich, sprich der Finanzminister, bremse bei einigen Themen, so Regner.

Definition von Steueroasen

Im Finanzministerium wird dies dementiert, Österreich sei vielmehr immer ein Vorreiter gewesen, um Gewinnverschiebung zu vermeiden. Was Regner auf EU-Ebene erreichen will, will SPÖ-Klubchef Andreas Schieder bereits heute, Donnerstag, ins Plenum einbringen. So sollen Zahlungen an Briefkastenfirmen in den Ländern mit einer Besteuerung von unter zehn Prozent nicht mehr vom Gewinn abgezogen werden können. Außerdem sollen Transaktionen innerhalb eines Konzerns in anderen Ländern ins Firmenbuch eingetragenwerden müssen.

Dass der Antrag angenommen wird, ist nicht zu erwarten. Für die SPÖ beginnt nun das Kapitel Opposition. Wären die jüngsten Fälle von Steuervermeidung aber mitten im Wahlkampf öffentlich geworden, hätte sich im Nationalrat vielleicht eine Mehrheit gefunden. "Es hätte vielleicht eine Dynamik bekommen", sagt Schieder. "Es ist aber auch jetzt eine dringliche Frage, der wir uns schnell widmen müssen."