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Ein Treffen zwischen Regierungs- und AMS-Spitze erbrachte gemeinsame Reformideen.
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Wien. Der Showdown hielt nicht, was die Aufgeregtheit um einen präsumtiven Konflikt zwischen der Regierung und der Führung des AMS versprochen hatte. Und es war wohl auch kein "Rapport", wie boulvardeskisch avisiert, dass die beiden Vorstände des Arbeitsmarktservice, Johannes Kopf und Herbert Buchinger, am Mittwoch mit der Regierungsspitze zusammentrafen.
Hinterher sprach Bundeskanzler Sebastian Kurz von einem "sehr guten Austausch", Vizekanzler Heinz-Christian Strache erhöhte fast schon euphorisch auf ein "sehr, sehr gutes, offenes, konstruktives Gespräch". Von einer beabsichtigten Ablöse der beiden AMS-Chefs war am Mittwoch jedenfalls keine Spur - von konkreten Anweisungen und Reformplänen allerdings ebenso wenig. Bis zum Sommer soll das AMS der Regierung nun Verbesserungsideen liefern, um die Effizienz zu steigern.
Wenn das Treffen den Zweck erfüllen sollte, ein bessere Gesprächsbasis zwischen der Regierung und den AMS-Vorständen herzustellen, könnte es aber jedenfalls ein Erfolg gewesen sein. Immerhin hatte Buchinger, der den urlaubenden Johannes Kopf vertrat, vor einigen Wochen noch wörtlich von einer "Vertrauenskrise" gesprochen.
Passiert ist diese nach einem klandestin den medial zugespielten internen Revisionsbericht zu Betreuung von Arbeitslosen mit nicht-deutscher Muttersprache sowie durch Einsparungen durch das Budget des Bundes, die Integrationsmaßnahmen des AMS betreffen.
Doch das waren, vor dem gestrigen Treffen, nur die jüngsten beiden Akte. Tatsächlich hatte es sich schon im Wahlkampf angedeutet, dass Kurz eine womöglich umfassende Reform vorschwebt, nicht nur des Arbeitsmarktservices, sondern der gesamten Arbeitsmarktpolitik. Wobei sowohl im Wahlprogramm der ÖVP wie auch danach (fast wortgleich) im Regierungsprogramm der Deutungsspielraum des Vorhabens recht groß ist.
Was ist "effektive Steuerung"?
Was Sebastian Kurz schon im September forderte, er im Dezember ins Koalitionsabkommen schreiben ließ und nun auch nach dem Treffen mit den AMS-Chefs als Ziel definiert wurde, war der Ruf nach einer "effektiveren Steuerung". Da lässt sich viel hineininterpretieren, die Regierung fordert aber jedenfalls eine "tatsächlich effektive Senkung der Arbeitslosigkeit" als Ziel. Das klingt zunächst einmal nur logisch, hat aber Fußnoten. Erstens gibt es Gruppen auf dem Arbeitsmarkt, etwa ältere Personen oder gesundheitlich Beeinträchtigte, bei denen eine Rückkehr in den ersten Arbeitsmarkt fast nicht mehr möglich sein wird.
Zweitens, es ist gerade bei jüngeren Arbeitslosen oft sinnvoller, in eine Ausbildung zu investieren statt diesen in den nächstbesten, aber niedrigqualifizierten Job zu drängen. "Es ist eine schwierige Frage", sagt Helmut Mahringer, Arbeitsmarktexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), "will ich eine schnelle Arbeitsmarktintegration oder investiere ich langfristig in eine bessere?"
Bei dieser Frage gelte es abzuwägen, sagt Michael Christl, Ökonom beim wirtschaftsnahen Thinktank "Agenda Austria". Denn eine längere Dauer von Arbeitslosigkeit führe auch zu negativen Beschäftigungsimpulsen. Personen in Schulungen reduzieren ihre Aktivitäten zur Jobsuche.
OECD lobt das AMS
Gerade was seine Effizienz betrifft, ist das AMS international sehr anerkannt. Die OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, sieht das heimische Arbeitsmarktservice als eines "der effektivsten und am besten geführten". Und auch Mahringer sagt: "Österreich hat eine sehr differenzierte Arbeitsmarktpolitik, es gibt für verschiedene Gruppen verschiedene Maßnahmen. Es wird auch sehr viel evaluiert, es werden Wirkungsanalysen gemacht. Und es gibt auch Dinge, die man ausprobiert und dann verwirft."
Auch der medial heftig diskutierte interne Revisionsbericht des AMS ist wohl in diesem Zusammenhang als Baustein zu sehen. "Wir selbst haben die Revision gebeten, dort näher hinzuschauen, um die Dinge besser zu machen", sagte Kopf vor Wochen, als der Bericht publik wurde.
Wo genau besteht also nun Reformbedarf? Die Agenda Austria wünscht sich im Sinne einer Mobilitätsförderung der Arbeitskräfte, dass die "überregionale Vermittlung durch das AMS noch weiter gestärkt wird", wie Wolfgang Nagl von der Agenda Austria sagt. Aber die Denkfabrik sieht das AMS grundsätzlich auf dem "richtigen Weg". Auch Johannes Kopf hatte immer wieder ein regionales Mismatch auf dem Arbeitsmarkt (Osten/Westen) beklagt.
Regierung wie Agenda Austria fordern ein degressives Arbeitslosengeld - mehr Geld zu Beginn, weniger bei längerer Arbeitslosigkeit -, um einen Anreiz zu bieten, schneller einen neuen Job anzunehmen. Mahringer ist skeptisch: "Es gibt nicht nur Anreize für Arbeitnehmer, sondern auch für Betriebe." Schon jetzt sind fast Prozent aller Arbeitsaufnahmen sogenannte Recalls, also Personen, die nach Arbeitslosigkeit dank Wiedereinstellungszusage zum selben Betrieb zurückkehren.
Das sind keine reuigen Ex-Mitarbeiter, sondern Leih- oder Saisonarbeiter aus der Bau- und Gastro-Branche. "Das betriebliche Risiko wird an die öffentliche Hand ausgelagert", sagt Mahringer. Und genau das sei das Problem beim Plan, in der ersten Zeit der Arbeitslosigkeit eine höhere Ersatzrate zu zahlen. Es könnte die Kosten, die laut Mahringer heute bei 450 Millionen Euro jährlich für die Arbeitslosenversicherung liegen, deutlich erhöhen. Auch Christl sieht diesen Aspekt, den es zu bedenken gelte. Bei saisonal bedingter Arbeitslosigkeit dürfe es in diesem Fall keinen Zugriff auf ein höheres Arbeitslosengeld geben, so Christl.