)
Kompromiss bei EU-Gipfel zeichnet sich ab. | Merkel beharrt auf Vertragsänderungen. | EU-Kommissarin Reding: Merkels Euro-Plan ist "selbstmörderisch". | Brüssel. Der Plan der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy, chronischen Defizitsündern das Stimmrecht in der EU zu entziehen, stieß einigen EU-Ländern sauer auf. Am Abend zeichnete sich beim EU-Gipfel in Brüssel jedoch zumindest ein Kompromiss ab. | Euro-Kollaps noch nicht vom Tisch | Faymann: Über Vertragsänderung reden | Pröll: Vertragsänderungen bringen uns nicht weiter
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Im Ringen um Konsequenzen aus der Euro-Schuldenkrise zeichnet sich beim EU-Gipfel ein möglicher Kompromiss zu einer beschränkten EU-Vertragsänderung ab, um einen permanenten Euro-Krisenmechanismus nach Auslaufen des derzeitigen Rettungsschirms 2013 zu ermöglichen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel beharrte auf der Forderung nach einem Stimmrechtsentzug für Defizitsünder, erhielt dafür aber keine Unterstützung der anderen EU-Staaten.
Die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Viviane Reding, hatte die deutsch-französischen Pläne zu einer besseren Absicherung des Euro als "selbstmörderisch" bezeichnet. Deutschland und Frankreich fügten der Europäischen Union mit ihrer Forderung nach einer Reform des Euro-Stabilitätspaktes schweren Schaden zu, betonte die EU-Kommissarin gegenüber der spanischen Zeitung "El Mundo".
Faymann gesprächsbereit
Bundeskanzler Werner Faymann sprach sich entschieden gegen einen EU-Stimmrechtsentzug aus, zeigte sich aber bei der Frage einer EU-Vertragsänderung zur Schaffung eines Euro-Rettungsschirms nach 2013 gesprächsbereit. "Am logischsten wäre, wenn man auf den Tisch legt, was für einen Mechanismus man in Zukunft haben möchte, damit Staaten bei einer Krise reagieren können. Wenn man das auf den Tisch legt kann man prüfen, ob eine Vertragsänderung notwendig ist oder nicht", sagte Faymann am Donnerstag vor Beginn des EU-Gipfels in Brüssel.
Der schwedische Premierminister Fredrik Reinfeldt zeigte sich "offen für kleine Vertragsänderungen". Es sollte aber nicht zu einer Situation mit Referenden wie in Irland kommen. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso schloss einen EU-Stimmrechtsentzug als ultimative Sanktion im Defizitverfahren aus, nicht aber grundsätzlich Änderungen am EU-Vertrag. "Wenn eine Änderung des Vertrags bedeutet, dass Stimmrechte beschnitten werden, ist das nicht akzeptabel und ganz offen gesagt, auch nicht realistisch", sagte er.
Papandreou offen für Vertragsänderungen
Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou betonte, dass er kein Problem mit Vertragsänderungen hätte. "Wir wollen einen starken Krisenrettungsmechanismus", sagte er. Der estnische Ministerpräsident Andrus Ansip sagte, sein Land würde eine Vertragsänderung unterstützen, die der Einrichtung eines permanenten Euro-Schutzschirms diene. Dieser sei notwendig. Finnland wäre unter bestimmten Voraussetzungen offen für eine EU-Verfassungsänderung im Hinblick auf die Schuldenkrise Griechenlands und die Kontrolle von Staatsfinanzen, sagte Finanzminister Jyrki Katainen beim Treffen der europäischen Konservativen vor dem Gipfel in Meise.
Merkel sagte, sie wolle für die Vertragsänderung "werben", damit man künftig auf solche Krisen wie jene der europäischen Währung reagieren könne. Es sei ein Mechanismus notwendig, wo auch der Steuerzahler nicht allein zur Kassa gebeten werden könne. Ein derartiger Krisenmechanismus müsse im Notfall verfügbar sein, damit man nicht in ähnlich Situationen wie früher komme. Merkel unterstrich auch die Bedeutung des Stimmrechtsentzugs als eine Sanktion gegen Defizitsünder. Die Möglichkeit des Stimmrechtsentzugs bei Verletzung der Grundwerte gebe es ja derzeit schon. Ihr gehe es darum, dass eine Politik, die den Euro als Ganzes in Gefahr bringe, auch eine Politik sei, die an die Grundwerte der EU rühre. Deswegen wolle sie dieses "kontroversielle Thema" besprechen.
Er wünsche sich einen Euro-Rettungsschirm nach 2013, sagte Faymann. Er habe auch den Eindruck, dass Merkel bereit sei, dem zuzustimmen. Merkel habe in Deutschland eine spezielle rechtliche Situation. Sie erwarte sich von ihren Höchstgerichten, dass eine Konkretisierung vorgenommen wird, unter welchen vertraglichen Bedingungen ein weiterer Krisenmechanismus möglich sei. Dass Merkel die Forderung nach Stimmrechtsentzug aufgebe, "halte ich nicht für unwahrscheinlich, weil ich kenne kaum jemanden, der sich für einen Stimmrechtsentzug ausgesprochen hat", sagte Faymann. Auf die Frage, ob eine "EU-Vertragsänderung light" nach dem Modell der für Irland abgegebenen Garantien im kroatischen Beitrittsvertrag verankert werden könnte, sagte Faymann: "Das ist natürlich alles möglich." Man dürfe aber nicht das Pferd von hinten aufzäumen.
Hintergrund:
EU-Maßnahmen zur Abwendung künftiger Katastrophen