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Britisches Unterhaus stimmte für Brexit-Gesetz. Schotten stellten sich in Protestvotum dagegen.
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London/Edinburgh. Den Schotten bleibt nur der Protest. In einer symbolischen Abstimmung hat das Regionalparlament in Edinburgh mit 90 zu 34 Stimmen gegen das Brexit-Gesetz gestimmt, das es Premierministerin Theresa May erlaubt, den EU-Austritt des Vereinigten Königreichs einzuleiten. Politisch relevant ist das Votum nicht: Nachdem das höchste britische Gericht entschieden hat, dass Schottland, Nordirland und Wales kein Mitspracherecht beim Brexit haben, kann die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon nur noch drohen und fordern.
Ein weiteres Referendum über die Unabhängigkeit ihres Landes sei "sehr wahrscheinlich", hatte sie nach dem Brexit-Votum im Juni gesagt. Zwar hatte sich bei einer Volksbefragung 2014 eine knappe Mehrheit der Schotten für den Verbleib im Königreich ausgesprochen. Doch die Entscheidung der Briten, die EU zu verlassen, hat das Thema Unabhängigkeit wieder hochkochen lassen.
Regierung selbstsicher
Doch so einfach ist es nicht. Erstens gibt es auch acht Monate nach dem Brexit-Referendum keine Mehrheit für eine Unabhängigkeit in Schottland. Auch deswegen hat Sturgeon eine zweite Volksabstimmung für heuer ausgeschlossen. Zweitens braucht Edinburgh dafür die Erlaubnis der Regierung Mays - und die lehnt ein weiteres Referendum ab. Allerdings könnte sich London kaum gegen eine Abstimmung sperren, sollte das schottische Parlament sie mit einem Mehrheitsbeschluss auffordern, grünes Licht zu geben.
Sturgeon argumentiert damit, dass die Schotten, anders als Engländer und Waliser, mehrheitlich gegen den Brexit gestimmt haben. Dennoch werde man "aus der EU gezerrt". Sturgeon fordert einen Sonderstatus für Schottland, darunter der Verbleib im EU-Binnenmarkt. Doch die Bereitschaft, Schottland Sonderrechte einzuräumen, hält sich in Grenzen. Auf erbitterten Widerstand aus dem Norden während der Brexit-Verhandlungen kann sich May jedenfalls schon einstellen.
Momentan ist die Regierung ohnehin mit sich selbst beschäftigt. Am Mittwochabend stimmte das Unterhaus mit 494 zu 122 Stimmen für das Brexit-Gesetz. Wenig überraschend - es galt als sicher, dass die Parlamentarier sich in großer Mehrheit dafür aussprechen. Zwar muss das Gesetz noch durch das Oberhaus, doch dürfte es auch hier keine Rebellion geben. Im Unterhaus hatte die Opposition versucht, den Entwurf abzuändern, um Einfluss auf die Verhandlungen nehmen zu können. Doch es gelang der Regierung, die Anträge abzuwehren.
Damit steht Premierministerin May nichts mehr im Weg. Sie kann, wie geplant, Artikel 50 der EU-Verträge im März einreichen - und die Gespräche mit Brüssel starten. Danach bleiben zwei Jahre, um die Scheidung zu regeln. Sobald der Vertrag steht, müssen die verbliebenen 27 Mitgliedstaaten mit qualifizierter Mehrheit zustimmen - also mindestens 19 Länder, die 65 Prozent der Bevölkerung vertreten. Im Europäischen Parlament reicht dafür eine einfache Mehrheit.
Am Dienstag hieß es aus London, dass auch Westminster nach den Verhandlungen noch einmal über den Deal abstimmen darf. Was wie ein Zugeständnis an das Parlament klang, entpuppte sich schnell als fauler Kompromiss, denn bei einer Ablehnung würde nicht mit der EU nachverhandelt. "Ich kann mir kein größeres Zeichen der Schwäche vorstellen, als dass dieses Haus die Regierung zurück zur EU schickt, um weiter zu verhandeln", sagte Brexit-Staatssekretär David Jones, "daher kann ich dem nicht zustimmen."
"Leere Versprechen"
Damit verpuffte auch die Hoffnung vieler Oppositionsabgeordneter, doch noch Einfluss auf die Brexit-Strategie der Regierung nehmen zu können. Das Parlament hat lediglich die Wahl zwischen dem fertigen Deal oder gar keinem Deal: Stimmt es dagegen, schlittert Großbritannien nach zwei Jahren ohne Abkommen aus der EU. Dann wäre das Land im Handel mit der Union auf die Regeln der Welthandelsorganisation WTO zurückgeworfen und müsste wieder Zölle zahlen.
Doch die oppositionelle Labour-Partei hegt dennoch Hoffnungen. Laut Brexit-Schattenminister Keir Starmer könne sich May im Fall einer parlamentarischen Ablehnung des Deals nicht dagegen wehren, noch einmal am Verhandlungstisch Platz zu nehmen. Es wäre "leichtsinnig", so Starmer im BBC-Radio, wenn May "aus der EU stürmen" würde, anstatt nachzubessern und "zu versuchen, ihr Parlament zufriedenzustellen". Damit widerspricht Starmer der Regierung, denn genau so war das sogenannte Zugeständnis gemeint. Entsprechend kritisch fielen auch die Reaktionen der Abgeordneten aus. Von einem "Albtraum-Szenario" war die Rede, von "leeren Versprechen", um Tory-Abgeordnete zu kaufen - "ein Ultimatum, kein Zugeständnis".
Starmer will es nicht glauben: Es sei nicht wahrscheinlich, dass May dem Parlament 2019 eine Abmachung vorlegt, mit dem es nicht zufrieden ist. Denn immerhin wäre das auch für die Premierministerin eine "sehr ernste Situation". Fragt sich nur, ob May das kümmert.