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Widerstandstragik ohne Zeigefinger

Von Christoph Irrgeher

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"Niemals vergessen": Zumindest das TV-Programm zollt der Mahnung verlässlich Tribut. Freilich nicht nur aus noblen Motiven: Mit der Unbegreiflichkeit der Nazi-Gräuel geht ja auch eine Traumabewältigung unter kommerziellen Vorzeichen einher.


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In diesem Spannungsfeld ließ ORF 2 zuletzt gleich zwei Spielfilme antreten, beginnend mit Franz Antels betagtem "Bockerer" (1981). Hauptdarsteller Karl Merkatz also, wie er sich renitent durch die Nazizeit mundelt: Das hat schon seine Qualitäten, laboriert aber doch an einem Grundproblem des Genres Anti-Nazi-Film - dem Moral-Finale mit ausgefahrenem Zeigefinger. Ein Glücksfall dann aber in der Dienstagnacht "Sophie Scholl - Die letzten Tage" (2004): Denn Marc Rothemunds oscarnominierter Film lässt die Betroffenheit im Kopf entstehen. Und das nicht nur, weil er in Julia Jentsch (Sophie) und Alexander Held (martialischer bis mitleidiger Verhörbeamter) ein famos vielschichtiges Duo hat. In schlichten Bildern und Worten entwickelt Rothemund ein psychologisches Kammerspiel, dessen Protagonistin sich mehr und mehr in die Rolle der todgeweihten Mahnerin schickt - ohne dass diese Sophie Scholl zur Heiligen verklärt würde. Und dadurch beklemmt die (letztlich nur kalt-maschinell hörbare) Exekution umso mehr.

Solche Beklemmung evozierte in den Vorjahren ja auch ein polnischer Film: Ebenfalls oscarnominiert, gipfelt "Katyn" im historischen Massaker an tausenden polnischen Offizieren durch Einheiten des sowjetischen Innenministeriums im Zweiten Weltkrieg. Ein Wiedersehen im ORF könnte man zwar kaum schön nennen - aber gewiss doch lohnend.