Schüler alleine zuhause und ein Bildungssystem, das Unterschiede der sozialen Herkunft nicht ausgleicht.
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So hätten sich Österreichs Schüler wohl die Wochen vor Ostern nicht vorgestellt: Statt gemeinsam im Klassenverband heißt es jetzt alleine daheim lernen mit den Eltern. Nun könnte sich ein Trend verstärken, den schon die vergangenen Pisa-Ergebnisse offenbart haben: Die Lernfortschritte der Jugendlichen an unseren Schulen sind äußerst unterschiedlich. Schüler, die kürzer als drei Jahre im Kindergarten waren, weisen beim Lesen einen Rückstand von rund einem Schuljahr auf. Schüler mit Migrationshintergrund liegen sogar zwei Jahre hinter ihren Mitschülern ohne Migrationshintergrund. Das Problem ist vor allem in Wien akut. In der Bundeshauptstadt ist die Wahrscheinlichkeit höher als irgendwo sonst in Österreich, dass ein Schüler mit Migrationshintergrund neben dem Risiko von geringeren Sprachkenntnissen auch noch aus einem sozial schwachen und niedrig gebildeten Elternhaus kommt.
Doch wie kann künftig verhindert werden, dass es zu diesem Lernrückstand kommt? Speziell in frühen Jahren müssen die Kleinen gefördert werden. Gerade im Hinblick auf die Sprachförderung kommt hier der frühkindlichen Bildung eine Schlüsselrolle zu. Was es braucht, ist eine laufende Dokumentation der sprachlichen Entwicklung von Schülern, die systematisch an Fördermaßnahmen geknüpft wird. Dazu braucht es aber auch ein flächendeckendes und flexibles Betreuungsangebot, vor allem für unter Dreijährige. Zudem besuchen hierzulande weniger Drei- bis Vierjährige den Kindergarten als im EU-Schnitt.
Zu begrüßen sind daher Maßnahmen wie ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr. Entscheidend für die Entwicklung und den Lernerfolg eines Schülers ist aber nicht nur die Dauer der frühkindlichen Bildung, sondern auch die Qualität des Förderangebots.
Denn in der Praxis besuchen gerade jene Kinder, die den größten Förderbedarf haben, seltener frühkindliche Bildungseinrichtungen und landen häufiger in Einrichtungen von geringerer Qualität. Wichtig sind daher bundeseinheitliche Qualitätsstandards. Auch die Ausbildung von Elementarpädagogen muss stärker auf den Umgang mit mehrsprachigen Kindergruppen ausgerichtet sein. Österreich gilt als eines der letzten Länder Europas, das noch keine universitäre Ausbildung für Elementarpädagogen anbietet. Die Qualifikation des Personals sollte durch eine schrittweise Akademisierung weiter verbessert und an internationale Standards herangeführt werden. Aber auch Eltern müssen viel stärker eingebunden werden, indem ihnen die Erfolgsaussichten von Bildung besser vermittelt werden.
Über den Kindergarten hinaus sollte der Schulunterricht stärker an die Kinder und Jugendlichen angepasst werden. Es braucht einen individualisierten Unterricht mit modernen Lehr- und Lernmethoden. Digitale Lernhilfen, die sich an das Tempo, den Lernstil und die Fähigkeiten des Einzelnen anpassen, können helfen, die Lehrkräfte darin zu unterstützen. Aber auch hierfür müssen zunächst die digitalen Kompetenzen der Lehrkräfte gestärkt werden. Das Verteilen von Gratis-Tablets hingegen ist teuer und wenig effektiv.