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Wie behalte ich meine Wohnung?

Von Werner Grotte

Politik

Die Wohnungsräumungs-Verfahren in Wien sind seit 1999 um rund ein Drittel angestiegen. Die Volkshilfe-Einrichtung Fawos, die seit 1996 Delogierungs-Prävention betreibt, schlägt Alarm: Hauptgrund sei das wesentlich raschere Anwachsen der Mieten im Vergleich zum Einkommen. Bei entsprechenden Gegenmaßnahmen könnten dennoch fast 80 Prozent der Verfahren abgewendet werden - was allerdings auch Eigeninitiative erfordert.


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"Zu mir kommen oft Leute, die aus Angst vor Ämtern nicht einmal Arbeitslosengeld beantragt haben", klagt Renate Kitzman, Leiterin der Fawos "Fachstelle für Wohnungssicherung": "Wie soll man so einen Finanzierungs-Plan erstellen?" - Ohne die Unterstützung ihres zehnköpfigen Teams würden alljährlich etliche hundert Menschen mehr ihre Wohnung verlieren, als dies ohnehin schon der Fall ist. "Die Verfahren gehen ja immer gegen den Hauptmieter, wie viele Leute tatsächlich betroffen sind, erfahren wir nicht immer", weiß Kitzman. Rund 5.000 Wiener gelten jedenfalls regelmäßig als "wohnungslos", die Dunkelziffer der "verdeckten Obdachlosigkeit" ist groß.

Die Fawos mit Sitz in der Leopoldstädter Schiffamtsstraße 14 ging 1996 aus einem einschlägigen Forschungsprojekt im 20. Bezirk hervor. Heute umfasst sie neben zehn Sozialarbeitern mit je ca. 200 Fällen auch drei Bürokräfte und einen "Zivi". "Der holt zweimal die Woche die Räumungs-Ladungen von den Bezirksgerichten ab - leider kriegen wir diese nicht vollständig", erklärt Kitzman den "Lauf der Dinge": Die Betroffenen werden daraufhin angeschrieben und eingeladen, sich bei ihr zwecks Einleitung von Gegenmaßnahmen zu melden. "Es kommen nicht alle, aber wir haben alles, vom Akademiker bis zum Arbeitslosen", beschreibt Kitzman die Klienten: Der Arbeitlosen-Anteil beträgt 44 Prozent, immerhin 31 Prozent erhalten eigenen Lohn.

Pfad im Beihilfen-Dschungel

Insgesamt wurden 2003 26.800 Räumungs-Verfahren inklusive Büros und Garagen eingeleitet (1999: 19.400). Betroffene Gemeindebau-Mieter, das sind rund 50 Prozent aller Verfahren, werden von Fawos zwar warnend angeschrieben, dann aber gleich an die zuständigen Magistrats-Dienststellen weitergereicht. Persönliche und individuelle Betreuung erfolgt in erster Linie für Bewohner von Privat- und Genossenschaftswohnungen. Sobald der Betroffene dort erscheint, wird nach Durchsicht aller Unterlagen, je nach Dringlichkeit, ein Finanzplan erstellt, Rechtsanwälte, Gerichte oder Hausverwaltungen kontaktiert und bei ganz dringenden Fällen (acht Prozent) auch eine einmalige finanzielle Aushilfe beim Sozialamt (MA 15) beantragt.

"Viele Leute haben keine Ahnung, welche Unterstützungen ihnen zustehen, etwa der Mehrkinderzuschlag ab dem dritten Kind", weiß Kitzman, "oft reichen schon entsprechende Anträge zur Wieder-Absicherung des Familienbudgets". Andere würden erst im letzten Augenblick zu ihr kommen, "was die Sache nicht leichter macht, wenn der Exekutor schon am nächsten Tag angesagt ist". In der Regel brauche man aber zwei Monate, um alle potenziellen amtlichen Unterstützungen auszuloten und bewilligt zu erhalten. "Erst dann kann von uns ein seriöser Finanzplan erstellt werden, der dann als Grundlage für Verhandlungen mit dem Kläger verwendet wird", erklärt die diplomierte Sozialarbeiterin.

Generell gelte, dass der Wohnungs-Aufwand nicht mehr als ein Drittel des Familieneinkommens ausmachen dürfe, sonst bestehe latente Mietrückstands-Gefahr. "Uns geht es darum, nicht nur die Delogierung an sich zu verhindern, sondern nachhaltige Perspektiven zu erarbeiten, was aber immer schwerer wird", betont Kitzman.

Hoher Einwanderer-Anteil

Eindeutige Strömungen kann sie bei ihren Klienten übrigens kaum feststellen: Frauen, Männer und Familien halten sich in etwa die Waage, der Anteil der Einwanderer liege mit 51 Prozent allerdings eher hoch. Die Hilfestellung reicht von einer Stunde Beratung bis hin zu monatelanger Verfahrens-Begleitung. Bei bis zu 80 Prozent aller Hilfesuchenden kann eine Delogierung abgewendet werden, der durchschnittliche finanzielle Aufwand beträgt 318 Euro pro Person. Das Jahresbudget der Volkshilfe-Einrichtung Fawos von derzeit 1,4 Mio. Euro wird durch die MA 15 finanziert.

In der Praxis erfolgen Delogierungen hauptsächlich durch eine vorhergehende "Räumungsklage" (Einbringung vom Vermieter bei Gericht, Klient erhält Ladung zur 1. Tagsatzung) oder durch "Kündigung" (muss vom Gekündigten innerhalb vier Wochen beeinsprucht werden, dann entscheidet das Gericht). Die Erfassung und Weiterleitung der Daten über Gemeinde oder Gericht an die Fawos erfolgt automatisch.

http://www.members.aon.at/fawos .

Tel.: 01/218 56 90