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Wie böse ist Google?

Von Stefan Meisterle

Wirtschaft

Vorwürfe der Geschäftsgefährdung, des Monopolisierungsversuchs und der steuerlichen Ungleichbehandlung.


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Wien. Don’t be evil – sei nicht böse: Das hehre Leitmotto des Internetkonzerns Google droht neue Schrammen zu bekommen. Nach der laut gewordenen Kritik von Datenschützern, die Googles Umgang mit Nutzerrechten bemängeln, meldet sich nun auch die Werbe- und Contentbranche zu Wort. Google, das sich primär über Online-Werbeeinnahmen finanziert und es so zuletzt zu einem Quartalsumsatz von 8,14 Milliarden Dollar (6,19 Milliarden Euro) brachte, sieht sich dabei schwere Vorwürfen ausgesetzt: Das US-Unternehmen soll sich zur Generierung von Werbeeinnahmen nicht nur fremder Inhalte bedienen, sondern auch die heimische Branche in ihrer Existenz bedrohen und die erzielten Gewinne auch noch aus Europa abziehen – ohne Steuern abzuliefern. Das Unternehmen selbst will das allerdings nicht so stehen lassen.

"Das System macht unser Geschäftsmodell zunichte", findet Gerald Grünberger, Geschäftsführer des Verbandes Österreichischer Zeitungen (VÖZ), klare Worte. Konkret zielt die Kritik auf die Eigenschaft Googles als Vernetzer von Web-Inhalten ab: Nach Ansicht Grünbergers vernetzt Google fremde Inhalte wie Zeitungsartikel, die dann als Kurzeinträge auf Google News oder den Google-Suchergebnissen mit Werbung verknüpft werden. Werbung, deren Erlöse freilich nur Google und nicht den Produzenten der Inhalte zugute kommen würden. "Es geht um einen fairen Anteil, den die Contentwirtschaft generiert", gibt Grünberger zu bedenken.

Google selbst widerspricht dieser Darstellung. Man arbeite "mit
sehr vielen Verlagen und Künstlern wirtschaftlich erfolgreich zusammen" und verweist darauf, dass man alleine im Bereich
der Nachrichten-Herausgeber "jedes Monat mehr als 4 Milliarden Klicks
von Google zu deren Seiten" lenke. "<!--
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-->Das sind ca. 100.000
potenzielle Geschäftskontakte pro Minute, die wir ermöglichen", präzisiert Google Austria in einer Stellungnahme an die "Wiener Zeitung".

Sucht Google das Monopol?
Die Kritik der Content- und Werbebranche geht allerdings noch weiter: Weil Google das Ziel verfolge, die Nutzer in der eigenen Welt zu halten, also neben der Web-Suche auch Dienste wie Google+, Gmail oder Youtube intensiv miteinander verschränke, könne man einen Monopolisierungsversuch erkennen, meint Grünberger, der hier eine Form des "Marktmissbrauchs" ortet. Für die Werbewirtschaft ist dieses Begehren insofern problematisch, da von den rund 390 Millionen Euro, die jährlich in Österreich für Online-Werbung ausgegeben werden, Schätzungen zufolge rund ein Viertel – Google macht dazu keine offiziellen Angaben – auf Google entfällt. Würde es dem Unternehmen demnach gelingen, die Internetnutzer noch stärker innerhalb der eigenen Diensten zu halten und dort mit Werbung zu bespielen, kämen heimische Online-Werbeanbieter noch stärker unter Druck, als dies bereits bisher der Fall ist.

Angelika Sery-Froschauer, Obfrau des WKO-Fachverbandes Werbung und Marktkommunikation, ortet darüber hinaus ein weiteres "Ungleichgewicht zu österreichischen Betrieben" – und zwar in der Frage der Steuergerechtigkeit. Als Technologieunternehmen, als das sich Google sieht, verfügt der Konzern in Österreich über keine Werbeberechtigung, unterliegt also auch nicht der Werbeabgabe – obwohl der Konzern dennoch vollkommen rechtens Online-Werbung schalten darf.

Vorwurf der "Wertschöpfungshinterziehung"
Noch drastischer sieht das Peter Lammerhuber, Präsident der Interessensgemeinschaft der Mediaagenturen IGMA. Google erhalte zwar EU-Förderungen für die in der Europa-Zentrale Irland geschaffenen Arbeitsplätze, zahle aber in Europa weder Mehrwertsteuer noch Gewinnsteuer – vollkommen legal, wie Lammerhuber einräumt, der von einem regelrechten "money drain" spricht: "Das Geld sickert aus Europa steuerfrei heraus", so der Unternehmer. Diese steuerliche Ungleichbehandlung käme gar einer "Wertschöpfungshinterziehung" gleich: Der Gewinn werde in Europa gemacht, komme allerdings unbesteuert lediglich der Konzenzentrale in den USA zugute.

Auch in diesem Punkt widerspricht freilich Google. "Google zahlt in allen
Ländern, in denen wir operieren, die jeweils relevanten Steuern - dies
gilt natürlich auch für Österreich", so das Unternehmen, das in der
Stellungnahme fortsetzt: "In Österreich und anderen Ländern leisten wir
damit unseren Beitrag zum jeweiligen Steueraufkommen und zwar sowohl auf
regionaler als auch auf nationaler Ebene." Zudem habe man auch Arbeitsplätze in Europa und Österreich geschaffen und verweist in diesem Zusammenhang auf eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft, in der nachgewiesen wurde, dass "seit 2007 insgesamt 28.000 Unternehmen mit fast 100.000 Arbeitsplätzen durch den Einsatz von Google-Diensten in den betreffenden Betrieben entstanden sind."

Die heimische Werbe- und Contentbranche vertraut ungeachtet dessen mit ihren Anliegen auf Initiativen auf europäischer Ebene. So wäre eine Arbeitsgruppe unter EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes bereits dabei, Werbe- und Steuerrichtlinien für IT-Giganten wie Google oder Facebook auszuarbeiten. "Es geht", so das Plädoyer von Lammerhuber um nichts weniger als "Chancengleichheit".