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Wie Bulgarien vor fünf Jahren

Von Sissi Eigruber

Wirtschaft

"Wenn die politischen Verhältnisse stabil bleiben . . .", das ist das Fragezeichen, das über jeder Prognose für Bosnien-Herzegowina steht. Robert Luck, der zuständige Handelsdelegierte der österreichischen Wirtschaftskammer ist diesbezüglich zuversichtlich. Österreich zählt zu den wichtigsten Handelspartnern und Investoren in Bosnien-Herzegowina. Insbesondere im Umweltbereich hätten die heimischen Unternehmen gute Geschäftschancen, so Luck gegenüber der "Wiener Zeitung".


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"Meine Überzeugung ist, dass die politischen Verhältnisse stabil bleiben. Sowohl die Bevölkerung als auch die Politiker wissen, was die Alternative zur jetzigen Entwicklung ist - und das ist keine wirkliche Alternative", so Luck in Anspielung auf einen möglichen Zerfall des Staates. Bosnien-Herzegowina besteht aus zwei relativ eigenständigen Gebietseinheiten: Der bosniakisch-kroatischen Föderation Bosnien-Herzegowina und der serbischen Republika Srpska.

Kein grünes Licht für

eine EU-Annäherung

Eine Annäherung an die EU wurde erst im Mai wieder weiter hinaus geschoben: Die EU-Kommission hat kein grünes Licht für die Aufnahme der Verhandlungen über das Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen gegeben. Grund dafür ist vor allem die gescheiterte Polizeireform in Bosnien-Herzegowina.

Bisher sind in 160 österreichische Firmen in Bosnien-Herzegowina aktiv und das Interesse sei nach wie vor groß, so Luck. Vorallem Unternehmen, die bereits in anderen Ländern Südosteuropas, wie Kroatien oder auch Bulgarien aktiv sind, würden irgendwann auch nach Bosnien gehen. Eine Firmengründung sei dort zwar aufwändig, aber durchaus in ein paar Wochen bewältigbar. Luck rät aber jedenfalls zu professioneller Beratung: "Auf eigene Faust ohne Erfahrung ist das nicht empfehlenswert".

Gute Ausbildung und Deutschkenntnisse

Im Krieg wurden 80% der Industrieanlagen zerstört, die Güterproduktion sank auf 10% des Vorkriegswertes. Jetzt erreicht die Industrieproduktion knapp 40% des Vorkriegswertes. Der Aufholbedarf sei unter anderem bei Konsumgütern und Infrastruktur groß, erläutert Luck; die weitere Entwicklung wesentlich vom Umfang der ausländischen Investitionen abhängig.

"Im Prinzip ist es in Bosnien-Herzegowina so wie in Bulgarien vor 5 Jahren", meint Luck. Die Lohnkosten seien niedrig, der Ausbildungsstand hoch. "Es gibt viele Heimkehrer, die in Deutschland oder Österreich studiert haben." Wer als ausländischer Investor anerkannt wird, braucht 5 Jahre keine Gewinnsteuer zu zahlen. Die Höhe der Gewinnsteuer beträgt in der Föderation 30% - Re-Investitionen sind steuerbefreit. Anders in der Republik Srpska - wo weit weniger österreichische Investments getätigt werden - dort sind nur 10% Gewinnsteuer zu zahlen, dafür sind Re-Investitionen nicht steuerbefreit. Zudem gibt es eine Dividendensteuer von 15%.

"Ein Problem ist der hohe Staatsanteil", meint Luck. Dieser liegt bei 51% des gesamtwirtschaftlichen Aufkommens. Der Steuerdruck ist daher sehr hoch, Steuerprüfungen bei den Unternehmen sehr häufig. Für 1.1.2006 ist endgültig die Einführung der Mehrwertsteuer (17%) geplant. Damit sollte es für die Unternehmen auch schwieriger werden, an der Finanz vorbei zu wirtschaften. Derzeit wird der Anteil der "grauen Wirtschaft" auf 40% geschätzt. Das erkläre auch, wie die Menschen mit einem Durchschnittslohn von 250 Euro über die Runden kommen können, wenn gleichzeitig das Preisniveau in vielen Bereichen wie in Österreich ist. Dazu kommen aber auch Transferzahlungen, also Geld von im Ausland lebenden Verwandten. Vergangenes Jahr verzeichnete Bosnien-Herzegowina ein Wirtschaftswachstum von 5%, die Arbeitslosenrate liegt bei rund 40%. Für österreichische Firmen, sieht Luck vorallem im Umweltbereich (Kläranlagen etc.) gute Chancen.