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"Wie das FBI den Fall vermasselt hat"

Von Edith Grünwald

Politik

Washington - Die FBI-Zentrale weist die hierarchisch untergeordnete FBI-Behörde in Minneapolis wieder einmal an, eine beantragte Untersuchungsaktion gegen einen Verdächtigen zu unterlassen. Das "seltsame Verhalten" des Flugschülers Zacarias Moussaoui, wegen Verletzung der Einwanderungsbestimmungen inhaftiert, sei nur "Zufall", rügt der übergeordnete Beamte in Washington die in seinen Augen übereifrigen örtlichen FBI-Agenten. Es ist der Morgen des 11. September, kurz zuvor waren vier Flugzeuge von Selbstmordattentätern entführt worden.


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Das World Trade Center steht schon in Flammen, Terroristen hatten zwei Flugzeuge hineingesteuert. Doch der FBI-Supervisor gibt den FBI-Agenten in Minnesota weiterhin keine Vollmacht, Moussaoui zu befragen oder zumindest den Laptop des Verdächtigen einzusehen. Moussaoui wird heute verdächtigt, er wäre der 20. Flugzeugentführer gewesen, ihm droht die Todesstrafe. Der aus Algerien stammende Franzose ist der einzige, dem eine direkte Verbindung zu den Attentätern vom 11. September vorgeworfen wird.

Diese skandalösen Vorgänge hat eine führende FBI-Agentin aus Minneapolis, Coleen Rowley, jetzt aufgedeckt und ihr Bericht ist von der FBI-Spitze bisher nicht dementiert worden. Ein 13-seitiger Brief von Rowley an FBI-Chef Robert Mueller und Mitglieder der Geheimdienst-Ausschüsse des US-Kongresses birgt einigen Sprengstoff. In dem vom "Time" in Auszügen veröffentlichten Schreiben schildert die Anwältin, wie ihre Behörde vergangenen Sommer wochenlang versucht hatte, einen Durchsuchungsbefehl für den Laptop des Verdächtigen Moussaoui zu bekommen. Als der Antrag von der FBI-Zentrale abgelehnt wurde, versuchten sie es beim CIA - und wurden von den FBI-Bossen gerügt, den "Dienstweg" nicht eingehalten zu haben.

Lediglich "Hindernisse und Stolpersteine" wurden den örtlichen FBI-Agenten von der Zentrale in den Weg gelegt, kritisiert Rowley. Offenbar herrsche im "Bureau" in Washington eine karrieristische Bürokratie, die jede Aktion zunächst auf ihr mögliches Risiko abwäge und bei Misserfolg den in der Hierarchie niedrigeren Agenten die Verantwortung zuschiebe. Auf den höheren Stufen der Karriereleiter werde sogar Versagen noch belohnt: Der Supervisor, der die Untersuchung gegen Moussaoui verhindert habe, sei nach dem 11. September befördert worden, stellt die seit 21 Jahren dem FBI dienende Agentin bitter fest.

Hätten durch konsequente Ermittlungen die Anschläge verhindert werden können? Eine hypothetische Frage, im Nachhinein nicht zu beantworten. Aber es bestand zumindest die Möglichkeit, noch einige der Attentäter im Vorfeld festzusetzen, ist Rowley überzeugt. Die vierfache Mutter riskiert mit dem Frontal-Angriff auf ihre Vorgesetzten ihren Job und ihre Karriere. Doch die bisher bekannten Fakten scheinen ihr Recht zu geben: In Moussaouis Laptop, der nach den Anschlägen gescreent wurde, fand sich die Telefonnummer des Zimmer-Kollegen von Mohammed Atta, der als Kopf der Attentäter gilt.

Die offenkundigen Versäumnisse beim FBI werden auch US-Präsident George W. Bush nach seiner Rückkehr aus Europa beschäftigen. FBI-Direktor Robert Mueller hat eine Stellungnahme angekündigt. Die amerikanischen Medien reagieren empört. William Safire schreibt in einem wütenden Kommentar in der "New York Times", der FBI-Chef versuche die unfähigen Bürokraten in Washington zu decken und zu vertuschen, dass er den Präsidenten und die Öffentlichkeit seit acht Monaten in die Irre geführt habe. "Time" geht noch härter mit dem Federal Bureau of Investigation ins Gericht und titelt: "Wie das FBI den Fall vermasselt hat".

(S E R V I C E : Der Brief von FBI-Agentin Coleen Rowley in der Internet-Ausgabe des Time-Magazins unter http://www.time.com )