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Die Wahrheit ist eine Frage der Perspektive. Wie dieser Satz sich politisch deuten und effektiv ausschlachten lässt, füllt derzeit die internationalen Medien.
Neben Begebenheiten, die - theoretisch - mit Fakten belegt oder widerlegt werden können, ist die Relativität von Wahrheiten in moralischen oder ästhetischen Fragen um ein Vielfaches höher.
So hatte der Autor eines indischen Schulbuches offenbar keine Bedenken, Kindern ein makaberes Experiment vorzuschlagen: Sie sollten zwei Kätzchen in zwei Schachteln sperren, die eine mit Löchern, die andere ohne. "Nach einiger Zeit öffnet ihr sie wieder. Was seht ihr?" Nicht nur in Zeiten, in denen Katzenvideos als virale Rettungsinseln von der Banalität des Lebens ablenken, ein verwerfliches Ansinnen. Das haben nach Protesten auch die Inder erkannt, das Experiment soll aus dem Buch verschwinden. Nicht nur indische Schulbücher sind bekannt für ideologische Lenkungen und machen mitunter Frauen für die Arbeitslosigkeit verantwortlich. Gruseliger ist die frühe Weltbild-Prägung wohl nur im IS. Jüngst von deutschen Journalisten übersetzte Bücher zeigen, wie gründlich das Kalifat an der Konstruktion arbeitet.
Da sind die heimischen, Wahrheitsperspektive verrückenden Nachrichten schon angenehmer: Forscher haben herausgefunden, dass der Zeitpunkt, an dem wir die Natur, speziell die Berge als schön und nicht mehr als bedrohlich empfunden haben, früher anzusiedeln ist als bisher angenommen: nämlich im 16. Jahrhundert. Das Hässliche und Gefährliche einer Zeit kann also zum Sehnsuchtsort einer andren werden. Das beruhigt ungemein.