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Wie das Virus die Weltwirtschaft infiziert

Von Thomas Seifert

Wirtschaft

Auf den durch Sars-Cov-2 ausgelösten Pandemieschock folgt nun eine massive Wirtschaftskrise.


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Länder, die für den Output von mehr als 50 Prozent des gesamten globalen Bruttosozialprodukts verantwortlich zeichnen, sind derzeit im Lockdown. Das Sars-CoV-2-Virus, das sich seit 17. November 2019 über den gesamten Globus ausbreitet, hat nicht nur bisher mehr 1,6 Millionen Menschen infiziert und rund 100.000 Todesopfer gefordert - es wurden auch Milliarden Menschen ihrer Bewegungsfreiheit beraubt, Millionen haben ihren Arbeitsplatz verloren und fast eine halbe Milliarde könnte nach Schätzungen der britischen NGO Oxfam in die Armut gerissen werden.

Den Ökonomen fehlen zurzeit die Werkzeuge, um das ökonomische Zerstörungswerk des Virus überhaupt zu messen: Sie haben Quartalsergebnisse und bestenfalls Monatsergebnisse zur Verfügung - doch derzeit kollabiert die Wirtschaft im Zeitraffertempo. Die verfügbaren Indikatoren zeichnen ein düsteres Bild: Der globale Ölverbrauch ist seit dem Beginn der Corona-Krise um ein Drittel gesunken, der Stromverbrauch in Österreich um 13,5 Prozent im Vergleich zu Anfang März, in Frankreich ist der Konsum - das zeigen erste Daten von Kreditkartenunternehmen - zusammengebrochen. Selbst in China, wo sich die Lage schon vor einiger Zeit wieder etwas normalisiert hat, ist das Vertrauen der Konsumenten nicht zurückgekehrt: Dort sind laut einer Analyse des Consulting-Unternehmens GlobalData zum Beispiel die Umsätze des schwedischen Modehauses H&M in der zehnten Corona-Woche (2. bis 8. März) um 79 Prozent gesunken, obwohl 89 Prozent der Geschäfte schon wieder geöffnet waren. Und in den USA ist der Transport von Autos und Autoteilen im Eisenbahnnetz um 70 Prozent zurückgegangen.

2020 wird also ein verlorenes Jahr. Aber nun geht es darum, wie Österreich, Europa, die Welt aus der Covid-19-Malaise wieder herauskommt.

Risiko-Adaptation

Für Österreich gilt: Die erste Phase - als die Pandemie Österreich erreichte - hat das Land ganz gut gemeistert, sieht man vom unverantwortlichen Handeln der Touristiker in Ischgl und anderen Tourismusregionen ab. Der österreichische Sozialstaat und die Sozialpartnerschaft haben sich bewährt: Niemand muss in der ersten Panik-Phase um seine nackte Existenz zittern.

Nach Ostern beginnt für Österreich und einige andere EU-Länder, die bisher ganz gut über die Covid-19-Krise gekommen sind, Phase zwei. Experten des Münchner Ifo-Instituts schlagen in ihrer Analyse für Deutschland und die EU nun eine Strategie der "Risiko-Adaptation" vor: Dabei geht es laut den Studienautoren darum, eine Balance zwischen einem behutsamen Wiederanfahren des öffentlichen Lebens und dem Schutz des Gesundheitssystems vor einer Überlastung zu finden.

Und auf globaler Ebene bedeutet das Solidarität mit jenen Ländern in Afrika, Lateinamerika und Asien, die nun besonders hart von der herandräuenden globalen Wirtschaftskrise getroffen werden.

Ökonomen diskutieren bereits über die Ausweitung von "Special Drawing Rights" des Internationalen Währungsfonds (IWF), aber auch über eine Ausweitung der Entwicklungshilfe. Geld ist genügend vorhanden - das Problem ist freilich, dass dieses Kapital sehr ungleich verteilt ist. Dem "Global Wealth Databook" der Schweizer Bank Credit Suisse zufolge besitzen 0,9 Prozent der Menschheit 43,9 Prozent der gesamten Vermögen auf unserem Planeten. Die aufkeimenden Ideen, das jetzt notwendige Kapital zur Stützung des Systems durch Finanztransaktionssteuern, Erbschaftssteuern und Vermögenssteuern einzutreiben, ist daher nachvollziehbar.

Ende der Hyperglobalisierung?

Es wird aber auch zu einem Umbau der Produktions- und Logistikketten kommen: Die hyperglobalisierte Weltwirtschaft ist zu instabil und angesichts von Schocks wie Covid-19 viel zu wenig resilient. Das Clustern von ganzen Wirtschaftssektoren - Software-Industrie in Silicon Valley (USA), Hardware-Industrie in Shenzhen (China), Stahl- und Zementindustrie in China und Indien, Pharma-Basischemikalien in China und Indien, medizinische Massenbedarfsgüter in China - hat dazu geführt, dass im Falle einer globalen Krise wichtige Produkte nicht verfügbar sind.

Die Folgen der Pandemie für die Wirtschaftsordnung werden wohl weitreichend sein.