Neos geben sich kämpferisch. Das müssen sie: Sie wollen "gegen das ganze politische System antreten".
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Diesmal ist es die Spitzenkandidatin der Wiener Neos, Beate Meinl-Reisinger, die der "Wiener Zeitung" im T-V-Radl Rede und Antwort gestanden ist. Eine gekürzte Video-Version des Interviews ist auch auf der Homepage der "Wiener Zeitung" zu sehen.
"Wiener Zeitung":Wir befinden uns in der Prater Hauptallee, eigentlich die älteste verkehrsberuhigte Zone der Stadt - wie stehen die Neos zur Mobilitätswende, die sich gerade europaweit abzeichnet?Beate Meinl-Reisinger: Prinzipiell glaube ich, dass das Auto nicht die Zukunftslösung für eine Stadt ist. Aber es wird immer ein Auto brauchen - schon aus sozialen oder unternehmerischen Gründen. Das heißt, es zu verbieten oder aus der Stadt zu verbannen, wird nicht funktionieren. Mit einem besseren Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln kann man viele Menschen dazu bringen, umzusteigen. Und das muss auch das Ziel sein.
Dasselbe Ziel verfolgt aber auch bereits die derzeitige Stadtregierung.
Ja, das tut sie. Dagegen habe ich ja auch nichts. Die Frage ist nur, wie man es macht. Einerseits sehe ich schon, dass die Stimmung sehr aufgeheizt ist: Radfahrer gegen Fußgänger gegen Autofahrer. Das ist nicht das Resultat einer umsichtigen Stadtpolitik. Und andererseits haben wir eine sehr enge budgetäre Situation. Die Stadt ist nahezu pleite - da wäre es sinnvoller, in den Flächenbezirken, wo eben noch viele auf das Auto angewiesen sind, schnelle Straßenbahnen und Querverbindungen zu bauen, anstatt in der Wiener Innenstadt eine weitere teure U-Bahn ihre Kreise ziehen zu lassen.
Wie stehen Sie zur Parkraumbewirtschaftung?
Wir brauchen eine Lösung für die ganze Stadt, aber ohne es an Bezirksgrenzen festzumachen. Wir müssen Niederösterreich und auch das Burgenland mitdenken. Und wir sind der Meinung, dass das Parkpickerl nur so viel kosten sollte, wie es den Verwaltungskosten entspricht und hier die Stadt nicht zusätzlich abcasht.
Wie viel soll es kosten?
Da muss man sich anschauen, wie hoch der Verwaltungsaufwand ist.
Die Neos bezeichnen sich gerne als liberale Partei - was können Ihrer Meinung nach Private besser als die Stadt?
Um das geht es gar nicht. Im Kern geht es nicht darum, was Private besser machen können. Es ist doch unerträglich, wie laut Rechnungshof SPÖ-eigene Unternehmen öffentliche Aufträge in Millionenhöhe vonseiten der Stadt bekommen. Gleichzeitig wird dadurch auch noch der Wettbewerb eingeschränkt. Echte Private kommen hier nicht zum Zug.
Aber hat nicht gerade Ihre Partei die Privatisierung von Wasser gefordert oder den Verkauf von Gemeindewohnungen und ist dann wieder zurückgerudert?
Wir wollten das Wasser nie privatisieren. Und beim Gemeindebau geht es um etwas ganz anderes: Sozialer Wohnbau muss sozial treffsicher sein. Ich sehe nicht ein, warum ein Nationalratsabgeordneter im Gemeindebau sitzt und genauso viel bezahlt wie eine alleinerziehende Mutter. Das versteht doch kein Mensch.
Meines Wissens nach bezahlt dieser Abgeordnete freiwillig mehr - und zwar in Form von Spenden.
Er bezahlt nicht mehr, und das ist nicht fair. Ich finde, es braucht ein Einkommensmonitoring. Ich will nicht, dass Politiker oder die, die es sich leisten können, zu einem Sozialtarif im Gemeindebau wohnen.
Sie teilen mit den Grünen denselben Themenschwerpunkt, die Bildung. Schadet das nicht der Unterscheidbarkeit der Neos gegenüber den anderen Parteien?
Ich freue mich, dass uns die Grünen da jetzt nachhüpfen - auch was ihr Plakat und ihre Kampagne angeht. In meiner Kampagne geht es aber darum, dass wir ein aufgeblähtes, überteuertes, aber auch korrupt gewordenes politisches System angreifen.
Können Sie konkreter werden?
Wir haben das teuerste politische System der Welt, mit 30 Millionen Euro die höchste Parteienförderung. Wir haben Parteienvereine, die sich zusätzlich noch aus dem Titel der Kulturförderung bedienen. Der Wiener Gemeinderat hat 100 Mitglieder, so viel wie der US-Senat. Wir haben bald 1244 Politiker in dieser Stadt - eine Stadt, die so groß wie Hamburg ist, und Hamburg kommt mit einem Drittel der Politiker aus. Wir haben sinnlose Versorgungsposten - nicht amtsführende Stadträte, Bezirksvorsteher-Stellvertreter. Das brauchen wir nicht. Dieses Geld wollen wir sparen und für die Bildung ausgeben.
Sie sprechen immer von Korruption und fahren einen sehr angriffigen Wahlkampf - glauben Sie nicht, dass das nach der Wahl Ihre Suche nach einem möglichen Koalitionspartner nicht erschweren könnte?
Das schauen wir uns alles nach der Wahl an. Aber worum geht es denn: Wir haben ein politisches System, das sich immer weiter vom Menschen entfernt. Und ich denke, es ist das Privileg der jungen Generation, zu sagen: Veränderung ist möglich. Aber dafür müssen wir kämpfen, und deswegen bin ich auch angriffig.
Wer soll dann mit Ihnen noch zusammenarbeiten wollen?
Das ist ein Kampf wie David gegen Goliath. Wir treten gegen ein gesamtes politisches System an, dem alle Parteien angehören. Wir haben unsere Forderungen und die nehmen wir sehr ernst.
Was unterscheidet Sie denn so deutlich von anderen Parteien?Alle anderen Parteien haben es sich in diesem politischen System bequemt gemacht. Sie haben alle der Valorisierung der Parteienförderung zugestimmt, während die Reallöhne in den letzten Jahren gesunken sind. Jahr für Jahr erhöht sich der Wiener Gemeinderat die Parteienförderung durch die Inflationsanpassung, die sowieso schon die höchste ist. Wir sind die Einzigen, die nicht Teil dieses politischen Systems sind.
Ja, weil Sie noch nicht im Gemeinderat sitzen.
Aber wenn wir reinkommen, werden wir gegen ein gierig gewordenes politisches System kämpfen, so viel ist sicher.
Welche Antworten haben die Neos auf 150.000 Arbeitslose in Wien?
Wir brauchen mehr Arbeitsplätze, das heißt Unternehmen, die Menschen einstellen. Man muss jedem einzelnen Menschen, der sich selbständig macht, dankbar sein und darf ihm nicht Prügel vor die Füße werfen - durch Gewerbeordnung oder mühsame Betriebsanlagengenehmigungen. Aber allen voran sind die Lohnnebenkosten die entscheidende Frage, die man angehen muss.
Das ist aber nicht allein ein Wiener Thema.
Nein, da hat die Bundesregierung meiner Meinung nach total versagt. Gerade, was die Steuerreform betrifft. Wien könnte aber auch was machen - zum Beispiel könnte die U-Bahn-Steuer oder die Kammerumlage 2 ausgesetzt werden bzw. auch die Zwangsmitgliedschaft bei der Wirtschaftskammer abgeschafft werden.
Sie haben gesagt, dass Sie fix aus dem Parlament ausscheiden werden - würde es das Ende Ihrer politischen Karriere bedeuten, wenn Sie den Einzug in den Wiener Gemeinderat nicht schaffen würden?
Wir schaffen es auf jeden Fall in den Gemeinderat. Aber ich muss auch sagen, dass die Politik jede Glaubwürdigkeit verloren hat. Es geht nur um Posten und Machterhalt, siehe Ursula Stenzel. Und das haben die Menschen satt. Und wenn ich sage, ich mache das anders, dann muss ich das auch ernst meinen. Darum habe ich auch gesagt, wenn ich antrete, um für die WienerInnen zu arbeiten, dann werde ich nicht auf meinem Sessel picken bleiben. Heinz-Christian Strache etwa wird das nicht tun. Er wird den Nationalrat nicht verlassen.
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