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Justiz und Verwaltung bilden das Rückgrat des demokratischen Rechtsstaates.
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Politikwissenschaftliche Bestseller wie "So endet die Demokratie" von David Runciman oder "Wie Demokratien sterben" von Steven Levitsky und Daniel Ziblatt haben dafür sensibilisiert, dass Demokratie nicht erst endet, wenn Panzer in den Straßen auffahren. Demokratien nehmen bereits Schaden, wenn gewählte Amtsinhaber und etablierte Parteien hinter einer Fassade der Legalität demokratische Normen untergraben, sodass sich der liberale Rechtsstaat, Medien und Zivilgesellschaft nicht mehr gegen Angriffe wehren können.
Dabei schaffen die handelnden Personen die demokratischen Institutionen nicht ab, höhlen diese aber aus, sodass sie ihrer Funktion zuerst nur noch eingeschränkt nachgehen können und schließlich ihrer Aufgabe gänzlich beraubt sind. In Europa ist diese graduelle Schwächung der Demokratie etwa in Ungarn und Polen zu beobachten, wo sehr wohl weiterhin Wahlen stattfinden und Verfassungsgerichte ihrer Arbeit nachgehen, allerdings ist das Wahlrecht längst auf die dominante Partei zugeschnitten und die Gerichte sind mit regierungstreuen Richtern besetzt.
Auch in Österreich erleben wir seit geraumer Zeit Attacken auf die Demokratie, die zuletzt ein neues Niveau erreichten: Kamen die Verunglimpfung des Parlaments oder Angriffe auf die Unabhängigkeit der Justiz früher höchstens aus der Opposition, werden sie nunmehr auch von Angehörigen der Regierungspartei gesetzt. Bereits die vom Ibiza-U-Ausschuss veröffentlichten Chatprotokolle legten autoritäre Fantasien, offene Verachtung von demokratischen Institutionen sowie Anfälligkeit für Korruption innerhalb der politischen Elite nahe, weshalb die Beschuldigten in der Folge die Kontrollfunktion des U-Ausschusses sowie der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) behinderten und diese öffentlich der Parteilichkeit beschuldigten.
Die in den vergangenen Tagen erhobenen Vorwürfe der WKStA riefen ähnliche Reaktionen hervor. Wer sich allerdings ausschließlich von "linken Zellen" verfolgt sieht, untergräbt bewusst das Vertrauen der Bevölkerung in zentrale Institutionen des österreichischen Rechtsstaates.
In jenem Verhalten von Vertretern einer Regierungspartei äußert sich vor allem ein fehlender wechselseitiger Respekt der Amtsträger. Das fehlende demokratische Verantwortungsbewusstsein ist in diesem Ausmaß in der Zweiten Republik bislang ungekannt gewesen und rief zurecht bereits den Bundespräsidenten auf den Plan: Er war im Frühjahr vom Verfassungsgerichtshof mit einem Exekutionsauftrag betraut worden und setzte ihn medienöffentlich um, indem er mehr Respekt für Rechtsstaat einforderte.
Fragt man nun nicht danach, wie Demokratien sterben, sondern wie sie überleben, wird dieser Tage die Stärke der österreichischen Justiz und des öffentlichen Dienstes deutlich. Die Politikwissenschafter Tom Ginsburg und Aziz Huq legten in ihren Studien dar, dass das Überleben der Demokratie von Akteuren außerhalb des Geltungsbereichs demokratischen Wettbewerbs abhängt. Es sind unabhängige Richter und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, die dem Rechtsstaat und somit der Demokratie verpflichtet sind. Gerichte und Bürokratie agieren als verlangsamende Instanzen, die der Zivilgesellschaft und dem Parteienspektrum Zeit verschaffen, um auf die Demokratiebeschädigung durch gewählte Politiker zu reagieren.
Da sie ihrer Pflicht im demokratischen Rechtsstaat nachkommen, sind Kontrollorgane wie Höchstgerichte und parlamentarische Oppositionsrechte gemeinsam mit freien Medien weltweit die ersten Zielscheiben autoritärer Machtentfaltung. Will man jene Sicherungsinstanzen weiterhin garantieren, muss man sie nachhaltig stärken. Allen voran müssen Justiz und Verwaltung mehr Personal erhalten. Wer hier spart, schadet der Demokratie; denn ein allzu "schlanker" Staat ist ein nicht mehr leistungsfähiger Staat.
Justiz und Verwaltung bilden das Rückgrat des demokratischen Rechtsstaates. Ihre Arbeit verschafft dem politischen System die Möglichkeit, Schäden an der Demokratie zu reparieren. Was zu tun ist, steht im Antikorruptionsvolksbegehren: Absicherung der WKStA, umfassende Antikorruptions- und Transparenzgesetzgebung, Nachschärfung beim Lobbygesetz sowie Neuordnung von Medienförderung und Inseratenvergabe.