Zum Hauptinhalt springen

Wie der Dino aus der Asche

Von WZ-Korrespondent Axel Eichholz

Wissen

Im Wasser kamen 90 Prozent, zu Land 70 Prozent aller Lebewesen um. | Die tödlichen Gase von damals gibt es auch noch heute. | Moskau. Das Leben auf Erden ist einige Male untergegangen, um jedes Mal wie der legendäre Phönix aus der Asche wieder aufzuerstehen. Das gilt in der wissenschaftlichen Welt längst als erwiesen. Ein solches Artensterben hat sich vor rund 250 Millionen Jahren am Ende der Permzeit zugetragen. Damals wurden 90 Prozent aller Lebewesen im Wasser und 70 Prozent jener auf dem Festland ausgetilgt. Es war das größte Artensterben in der irdischen Geschichte, das für die spätere Herrschaft der Dinosaurier Platz machte. Diese globale Katastrophe vollzog sich nach erdgeschichtlichen Vorstellungen blitzschnell, im Verlaufe nur einer Million von Jahren. Wissenschafter grübeln seit Jahren über deren Ursache.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die beiden bisher am meisten verbreiteten Theorien, der Einschlag eines großen Himmelskörpers auf der Erde und massive Vulkanausbrüche, die sich etwa zur gleichen Zeit ereigneten, gelten heute nicht mehr als überzeugend.

Ozonschicht zerstört

Deutsche und russische Gelehrte  vom Umweltforschungszentrum Leipzig, dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung und der Universität Heidelberg unter der Leitung von Ludwig Weissflog sowie von der Moskauer Akademie der Wissenschaften glauben nun, den wahren Grund erkannt zu haben. Sie machen halogenhaltige Gase, die in die oberen Schichten der Erdatmosphäre aufstiegen und die schützende Ozonschicht zerstörten, dafür verantwortlich. Als Folge versengte die harte Ultraviolettstrahlung fast alles Leben an der Erdoberfläche. Halogenhaltige Kohlenwasserstoffe sind bereits länger bekannt. Bisher wurde aber angenommen, dass sie fast nur künstlich produziert werden. In der Natur kamen sie in nennenswertem Umfang nicht vor.

Die damals tödlichen Gase gibt es noch heute. Sie werden industriell hergestellt, entstehen aber auch durch Waldbrände. Zudem erzeugen besondere Bakterien, die erst vor vier Jahren in Salzseen in der russischen Teilrepublik Kalmückien und in Südafrika entdeckt wurden, diese gefährlichen Gase, sagt Lydia Lissizyna vom Moskauer Obuchow-Institut für Atmosphärenphysik der russischen Akademie der Wissenschaften. Vor Jahrmillionen seien Salzseen weit verbreitet gewesen. Halobakterien wurden laut der Forscherin im Salznebel durch Wind von einem Gewässer zum anderen übertragen. Sie seien überaus resistent gegen Kälte und Hitze gewesen. Wenn Salzseen austrockneten, "versteckten" sich die Halobakterien zwischen den Kristallen. Ohne Wasser konnten sie auskommen, nicht aber ohne Salz. Bei Entsalzung durch überstarke Regenfälle starben sie. Letzten Endes löste sich dieses Problem also von allein.

Die Wüste wächst

In den Salzseen produzierten die bösartigen Bakterien die hochgiftigen Substanzen Chloroform, Trichloräthylen und Metylchloroform. Einerseits zerstörten diese Gase die Ozonschicht, andererseits richteten sie die Vegetation zugrunde. Sie verlangsamten die Photosynthese, beschleunigten aber die Verdampfung der Feuchtigkeit von den Blättern. Wüstenbildung war die Folge.

Es ist möglich, dass sich die Geschichte wiederholt. In Mittelasien greift die Wüste bereits auf fruchtbare Gegenden über. Die Forscher vermuten, dass es mit Bakterien der dortigen Salzseen zu tun hat. Auch das Ozonloch gibt zu denken. Nun muss geklärt werden, inwiefern von ihnen produzierte halogenhaltige Gase daran schuld sind. Noch hat die Menschheit eine Million Jahre Zeit bis zur nächsten Godzilla-Generation - nach menschlichem Ermessen eine Ewigkeit, für die Erdgeschichte nur ein kurzer Augenblick.