Die Konferenz im Mount Washington Hotel in Bretton Woods legte den Grundstein für | die neue Nachkriegs-Wirtschaftsordnung und zementierte die Führungsrolle der USA ein.
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Als 730 Delegierte aus 44 Ländern von 1. bis 22. Juli 1944, also vor 70 Jahren, im Mount Washington Hotel in Bretton Woods, New Hampshire zusammentrafen, ging es um nichts weniger als eine neue Nachkriegs-Wirtschaftsordnung. In dem mondänen Resort in den White Mountains dominierten zwei Männer die Diskussionen: der geniale britische Ökonom John Maynard Keynes, der das britische Finanzministerium repräsentierte, und sein amerikanisches Gegenstück Harry Dexter White vom US-Schatzamt, ebenfalls eine schillernde Figur. White war, das schreibt Benn Steil in seinem rasch zum Standardwerk über die drei Wochen im Juli 1944 avancierten Buch "The Battle of Bretton Woods", nicht unbedingt jemand, der geliebt werden wollte, war aber detailversessen, hochintelligent und war bald in der Lage, die politische Entwicklung auf der Konferenz maßgeblich zu beeinflussen. Keynes war zwar brillanter als sein Gegenüber, aber Großbritannien war nach fünf Kriegsjahren praktisch pleite und den USA wirtschaftlich unterlegen. Interessanterweise wurde der enge Konfident von Präsident Franklin Delano Roosevelt und von Finanzminister Henry Morgenthau (dessen Morgenthau-Plan vorgesehen hätte, Deutschland nach der Kapitulation zu einem reinen Agrarland zu machen) später beschuldigt, für die Sowjetunion spioniert zu haben.
Die Verhandlungen im Mount Washington Hotel waren also von den zum Teil recht kontroversen Debatten zwischen Henry Dexter White und John Maynard Keynes dominiert. Am Ende der Verhandlungen stand eine neue Weltfinanzarchitektur. Diese sah vor, den Handel schrittweise zu liberalisieren aber Einschränkungen im Kapitalverkehr bestehen zu lassen: Die Kontrolle von Kapitalbewegungen sollte zu einem dauerhaften Merkmal der Nachkriegsordnung werden. Die Vereinigten Staaten, die damals mit Abstand die größten Goldvorräte in den Kellern der Federal Reserve in New York und in Fort Knox eingelagert hatten, sollten die einzige Nation sein, deren Währung zu einem festgesetzten Wechselkurs in Gold konvertiert werden kann.
Keynes Forderung war radikal: Er schlug eine weltweite Währung, den Bancor, vor. Diese Weltwährung sollte nach Keynes kühnen Plänen von einer zentralen Weltbank, der International Clearing Union, verwaltet werden. Als Anker der Währung sollte Gold dienen. Die USA lehnten Keynes Bancor-Idee aber ab. Also verteidigte Keynes als Minimalforderung zumindest eine weiche Währung, mit der sich leichter auf Krisen reagieren lassen würde. Harry Dexter White, der die Interessen der USA vertrat, wollte aber eine harte, an den Goldkurs gekoppelte Währung.
"Bretton Woods war von Anfang an ein fauler Kompromiss", schreibt Nathan Lewis in seinem Buch "Gold - die Währung der Zukunft". Denn das System von Bretton Woods sollte auf einer an Gold gebundenen harten Währung beruhen, gleichzeitig war es den einzelnen Staaten möglich, ihre Wechselkurse anzupassen. Außerdem hatten die Mitgliedsstaaten das Recht, Gesetze zur Kontrolle des inländischen Kapitals zu erlassen. Also mehr Spielraum für die heimische Geldpolitik, gleichzeitig konnte die nationale Währung zu einem offiziell festgeschriebenen Kurs gehandelt werden. Die USA sollten von nun an das weltweite monetäre System kontrollieren, "der Vertrag von Bretton Woods bedeckte dieses Faktum mit einem internationalen Mäntelchen", so Lewis. Doch die Regierungen hatten nun ein "Trilemma" zu lösen, "da jedem Staat drei Wahlmöglichkeiten offenstanden, von denen er nur zwei ergreifen konnte: 1. die volle Freiheit des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs, 2. ein fester Wechselkurs, 3. eine auf innenpolitische Ziele gerichtete unabhängige Geldpolitik."
Das System war von Anfang an alles andere als perfekt. Immerhin konnte Keynes zufrieden sein: Er hatte beim Frieden von Versailles 1919 davor gewarnt, Deutschland allzu hohe Reparationszahlungen aufzubürden und war gescheitert. Dieser Fehler sollte sich nicht wiederholen. Zur Durchsetzung des Abkommens wurden die Bretton-Woods-Organisationen bzw. -Institutionen Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) geschaffen. Die Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) mit Sitz in Basel sollte abgeschafft werden - sie hatte bei der Finanzierung Nazideutschlands eine fragwürdige Rolle gespielt - auf Wunsch der europäischen Notenbanken gibt es sie aber bis heute.
Am 22. Juli 1944 endete die Konferenz in Bretton Woods. Am 8. Mai 1945 kapitulierte Deutschland, am 15. August 1945 Japan. Die USA sollten von nun an den "Westen", zu dem man auch Australien, Japan oder Korea zählte, dominieren.