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Wie der Güterverkehr klimaneutral wird

Von Michael Ortner

Wirtschaft
eHighway statt Emissionen: Ein Oberleitungs- Truck fährt auf einer Pilotanlage für den elektrifizierten Straßengüterverkehr in Deutschland.
© Siemens AG

Der Straßengüterverkehr nimmt zu, die Emissionen steigen. Für die Elektrifizierung fehlen große Mengen Strom.


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Man sieht es den Dingen nicht an. Manche haben weite Distanzen zurückgelegt, wie die Rohstoffe für den Laptop, auf dem diese Zeilen geschrieben wurden oder der dampfende Kaffee im Häferl. Manche, wie die Tischplatte aus Eiche oder der Roggen für das Brot, kommen aus der Region. Ob Lebensmittel, Kleidung oder Elektrogeräte: Alle Dinge in unserem Alltag müssen erst her geschafft werden. Ohne Transportmittel würden sie fehlen.

Der Güterverkehr hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. 400 Millionen Tonnen haben alleine österreichische Unternehmen 2019 im Straßenverkehr bewegt. 2015 waren es noch knapp 348 Millionen Tonnen. Weitere 200 Millionen Tonnen kommen von ausländischen Lkw, denn Österreich ist ein Transitland. Mehr als 84 Prozent des Transportaufkommens in Österreich fällt auf die Straße. Denn dort geht es schneller und flexibler. Doch das wirkt sich auf die Klimabilanz aus. Seit 1990 haben sich die Treibhausgas-Emissionen des Straßengütertransports auf fast neun Millionen Tonnen im Jahr 2019 verdoppelt.

Mehr Waren, mehr gefahrene Kilometer, mehr Emissionen. Das ist schlecht für die Umwelt und steht den Klimazielen diametral entgegen. Denn bis 2040 will Österreich CO2-neutral sein. Die Menge an Treibhausgasen in der Atmosphäre darf nicht mehr erhöht werden. Der Güterverkehr muss also auf Klimakurs gebracht werden. Doch wie soll das gelingen? Sind Elektro-Lkw die Zukunft oder doch der Wasserstoff-Antrieb? Wie soll die Verkehrswende finanziert werden? Und was sind die größten Hürden?

Lkw stoßen jede Menge CO2 aus. Die zwei vielversprechendsten Technologien, Transporte umweltfreundlicher zu machen, sind der Batterie- und der Wasserstoffantrieb. Für Urs Maier spricht vieles für die Batterie. "Die Batterie-Technologie ist schneller da als Brennstoffzellen für Lkw, auch weil es im Pkw-Markt ganz eindeutig Richtung Batterie geht", sagt der Projektleiter Energie und Infrastruktur beim Berliner Think Tank Agora Verkehrswende.

Batterie oder Brennstoffzelle?

Noch gibt es aber einige Hürden. Zwar arbeiten einige Lkw-Hersteller an eigenen Elektro-Modellen, doch der Preis schreckt viele Kunden ab. E-Lkw sind derzeit etwa doppelt so teuer wie Lastwagen mit fossilem Antrieb. "Es gibt zwar bereits die technischen Möglichkeiten, aber es fehlt noch die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit", sagt Alexander Klacska, Obmann der Bundessparte Transport und Verkehr in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Für ihn stellt sich auch die Frage, wo Schnellladestationen entstehen, um ganze Flotten laden zu können.

Schwere Last- und Sattelzüge könnten ihren Strom auch durch eine Oberleitung beziehen. Das Prinzip - ähnlich wie bei Zügen - wird in Deutschland derzeit auf drei "eHighway"-Teststrecken erprobt. Abgesehen von den Kosten stehen aber noch viele Fragezeichen hinter dem System. "Die Oberleitung ist auf dem Papier das effizienteste System. Aber es macht nur Sinn auf Hochleistungsstrecken", sagt Verkehrsexperte Michael Schwendinger vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ). Die Leitungen dürfen an der Grenze nicht enden. "Es braucht einen europäischen Konsens."

Um lange Strecken ohne Unterbrechungen für Ladevorgänge zu absolvieren, kommt neben der Batterie die Brennstoffzelle ins Spiel. Zunächst muss grüner Wasserstoff aus erneuerbaren Energien - also Strom - gewonnen werden. Der Wirkungsgrad liegt laut Maier bei 70 Prozent. Für die Komprimierung und Rückumwandlung geht ebenfalls Energie verloren. Aktuell geht Maier von einem Technologiemix aus. "Zwei Drittel der Fahrleistung wird durch elektrische Lkw - also mit Oberleitung beziehungsweise batterieelektrisch - und ein Drittel durch Brennstoffzellenfahrzeuge erbracht." Er betont, dass es wichtig sei, Praxiserfahrung zu sammeln, und schlägt Korridore von 300 bis 500 Kilometer vor, auf denen getestet wird.

Der Knackpunkt für beide Technologien ist jedoch: Steht überhaupt genug Strom für die Elektrifizierung des Güterverkehrs zu Verfügung? Strom ist der Energieträger der Zukunft. In Österreich wird schon jetzt 72 Prozent des Strombedarfs durch erneuerbare Energien gedeckt. Doch am Gesamtenergieverbrauch macht Strom erst rund 20 Prozent aus. Wenn in Zukunft ganze Industrien, der Verkehr und das tägliche Leben elektrifiziert werden sollen, braucht es sehr große Mengen an sauberen Strom. "Um den ganzen Mobilitätsbereich zu elektrifizieren, brauchen wir zusätzliche 71 TWh Strom, das ist 65 mal das Kraftwerk Freudenau. Davon sind wir meilenweit entfernt", sagt Klacska von der WKÖ.

Fest steht, dass die Hersteller ihre Emissionen senken müssen. Denn die EU gibt auch für die Lkw-Flotten CO2-Grenzwerte vor. Sonst drohen hohe Strafzahlungen. "Am besten wäre der Verkehr, der nicht stattfindet. Aber es ist unrealistisch, den gesamten Güterverkehr in Österreich auf die Schiene zu verlagern", sagt VCÖ-Experte Schwendinger.

E-Lkw-Flotte ausbauen

Das Logistikunternehmen DB Schenker hat mit dem Umstieg auf Elektro-Lkw bereits begonnen. In ganz Europa hat DB Schenker 56 "eCanter" von Daimler Benz im Einsatz, vier davon in Österreich. Der Elektro-Anteil soll wachsen. "Um unsere Klimaziele zu erreichen werden wir unsere E-Lkw-Flotte sukzessiv ausbauen", teilt DB Schenker auf Anfrage mit. Die genaue Menge und Schnelligkeit sei abhängig von der Verfügbarkeit, der Infrastruktur und davon, wann ein Break-even-point der Kosten im Vergleich zum Diesel erreicht werden kann.

Auf Langstrecken setzt DB Schenker neben E-Lkw auch auf Brennstoffzellen-Lkw. Sobald sie verfügbar sind, wolle man Wasserstoff-Lkw auf Linie testen. DB Schenker will bis 2030 die Emissionen im Landverkehr um 34 Prozent senken. Derzeit liege man bei minus 24 Prozent.