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Wie der Körper, so die Seele

Von Eva Stanzl

Wissen
Die Psyche kann Ausgangspunkt oder Folge von körperlicher Krankheit sein. Foto: fotolia

40 Prozent der physisch Kranken kämpfen auch mit einer Depression. | Wissenschaftlich kaum entschlüsselt. | Wien. Neun Prozent der Österreicher und Österreicherinnen leiden an chronischen Angstzuständen oder an Depression. Bei angestellten Frauen sind psychische Erkrankungen die Ursache von 29 Prozent der Frühpensionierungen, bei Männern sind es 18,3 Prozent. Diese Zahlen nannten Experten bei einem Workshop der Kommunikationsagentur Welldone am Mittwoch vor Journalisten.


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Zudem leiden bis zu 40 Prozent der Personen mit körperlichen Erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes, Adipositas oder Krebs gleichzeitig an einer klinisch relevanten depressiven Störung. "Menschen mit einer psychischen Erkrankung haben ein doppelt so hohes Risiko, an einer kardiovaskulären Krankheit zu sterben. Und Depressionen sind ein entscheidender Punkt für die Entstehung und den Verlauf eines Herzinfarkts", erklärte Christoph Stuppäck, Vorstand der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Salzburg.

Doch was kam zuerst - die Henne oder das Ei? Das Beziehungsgefüge zwischen psychischen und körperlichen Erkrankungen und die Mechanismen der Wechselwirkungen sind wissenschaftlich nur teilweise entschlüsselt. Feststeht nur: "Es gibt nicht, wie manche Forscher früher meinten, die typische Krebspersönlichkeit oder typische Rheumapersönlichkeiten. Das zu sagen, wäre zu einschränkend, wird der Thematik nicht gerecht und ist nur der Versuch einer Erklärung für etwas, was wir uns noch nicht erklären können", sagte Stuppäck.

Andere Faktoren können Mediziner, Psychiater und Psychotherapeuten hingegen sehr wohl festmachen. Etwa haben Schizophrenie-Patienten ein höheres Risiko für gravierende psychische Erkrankungen. Das liege zu einem großen Teil an der Lebensführung, da Faktoren wie Rauchen, Alkoholkonsum oder ungesunde Ernährung stärker zum Tragen kommen. Unter Schizophrenieerkrankten komme es vermehrt zu Diabetes, kardiovaskulären Erkrankungen und Osteoporose. Körperliche Symptome können auch als Folge der Nebenwirkungen der medikamentösen Therapie auftreten, so die Mediziner.

Psychisch Erkrankte gehen zudem oftmals zu spät zum Arzt. Christoph Haller von der Wiener Uniklinik für Dermatologie und Venerologie, nannte das Beispiel des schwarzen Hautkrebs (Melanom). Wird ein Melanom früh genug erkannt, kann es operativ entfernt werden. Doch die Wahrscheinlichkeit von Metastasen steigt mit der Dicke des Melanoms. Ist ein Patient also zu lange zu antriebslos, um zum Arzt zu gehen, könne ihm im fortgeschrittenen Stadium kaum mehr geholfen werden, sagte Haller.

Eine beträchtliche Anzahl jener, bei denen eine chronische Erkrankung diagnostiziert wird, reagieren mit Depression. Ein Drittel der Diabetes-Typ-2-Patienten leide an der psychischen Krankheit als Folge der Diagnose. "Zuerst ist es ein Schock, zu erfahren, dass man chronisch krank ist. Man hat Angst vor dem Krankheitsverlauf und bekommt noch dazu jede Menge Verhaltensregeln", erklärt Peter Fasching, Vorstand der 5. Medizinischen Abteilung am Wilhelminenspital Wien. Das schlechte Gewissen darüber, dass man nicht umsetzen kann, was man rein rational versteht, könne zu einem Minderwertigkeitsgefühl und depressiven Symptomen führen.

Psychisches Leiden ist auch eine weit verbreitete Folge von Rheuma und hängt meist mit dem Krankheitsverlauf und mit den chronischen Schmerzen zusammen. Zwischen Schmerz und Depression gibt es einen engen Zusammenhang, der sich durch die Rolle der Botenstoffe bei der Schmerzverarbeitung erklären lässt.

Der Einfluss der Psyche auf den Ausbruch von Rheuma ist allerdings ebenfalls noch kaum wissenschaftlich bewiesen. Feststeht nur laut Fasching: "Jede Diagnose gehört in ein Gesamtbild."