)
"Mini-Gipfel" scheinen in der europäischen Politik in Mode zu kommen. Nachdem sich am Dienstag sieben kleinere EU-Staaten mit Fragen der künftigen EU-Verfassung beschäftigt hatten, steht Ende April, vermutlich am 29., ein Treffen von vier Ländern auf dem Programm. Thema des Meetings in Brüssel: Die Weiterentwicklung der Verteidigungspolitik.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Grundlage ist der einschlägige belgische Vorstoß vom Dezember, der von Frankreich und Deutschland freudig aufgegriffen wurde, fiel er doch in die Zeit der Differenzen mit den USA über die Irak-Politik. Neben diesen Staaten hat bisher nur Luxemburg Luxemburg seine Teilnahme fix zugesagt. Im Vorfeld wird beteuert, es solle nur um die Grundlagen für bessere Zusammenarbeit auf dem Rüstungssektor gehen. Für eine Diskussion über die von Belgien propagierte europäische "Verteidigungsarmee" - in Österreich von der SPÖ begrüßt - sei es noch zu früh, die Vorstellungen dazu noch zu vage.
Notfalls nur "Kerneuropa"
Bisher waren solche Initiativen, bei denen einige wenige Länder eine "Vorreiterrolle" spielen wollen, bei der EU-Sicherheitspolitik tabu. Nun bekommt die belgische Idee aber Rückenstärkung von EU-Kommissionpräsident Romano Prodi, der sie als "Schritt in die richtige Richtung" bezeichnet.
Während der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder am Donnerstag in einer Regierungserklärung zum Irak-Krieg wieder einmal appellierte, dass sich möglichst viele EU-Länder der Initiative anschließen sollten, erschien ein Interview mit seinem Außenminister Joschka Fischer, in dem dieser davon sprach, notfalls müsse man eben auf ein "Kerneuropa" zurückgreifen. Wenn im Verfassungkonvent keine Einigung über die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik möglich sei, "dann muss wie beim Schengen-Abkommen eben notfalls eine Gruppe von Ländern vorangehen".
Der französische Ex-General Philippe Morillon, EVP-Fraktionsmitglied im Europaparlament, zieht einen anderen Vergleich heran:: Ihm schwebt eine "Euro-Zone für Verteidigung" vor - wer schneller in eine gemeinsame Verteidigung integriert sein will, soll darin Mitglied werden; andere EU-Staaten, etwa Neutrale oder solche, die Konflikte mit den USA fürchten, könnten sich dabei Zeit lassen. In seinem Bericht, der nun vom Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des EU-Parlaments mehrheitlich angenommen wurde, nennt Morillon als zentralen Punkt einer solchen "Gemeinschaft innerhalb der Gemeinschaft" eine gegenseitige Beistandspflicht, ähnlich der der NATO - die durch ein solches Bündnis übrigens nicht geschwächt, sondern gestärkt werden würde, wie Morillon meint. Neben der "Solidaritätsklausel", die möglicherweise auch beim "Mini-Gipfel" in Brüssel ein Thema sein wird, gibt der Morillon-Report auch recht konkrete Pläne vor. Schon ab 2004 solle eine 5.000 Mann starke "schnelle Eingreiftruppe" für humanitäre Einsätze aufgebaut werden, die ab 2009 auch ohne NATO-Hilfe handlungsfähig sein müsste. Das Geld dafür sollte aus dem EU-Budget kommen, was allerdings einen Artikelzusatz im Gemeinschaftsvertrag erfordern würde.
Ohne Briten geht es nicht
Der Schaffung einer "Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion", heißt es in den erläuternden Bemerkungen, liegt der Gedanke zugrunde, dass Europa seine militärischen Anstrenungen verstärken muss, um "ein glaubwürdiger Akteur" auf dem internationalen Parkett und ein "freier Partner der USA" zu werden. Würde man es den Amerikanern überlassen, irgendwelche Kriege zu leiten, müsste man sich mit der Rolle der Athener im alten Rom abfinden, nämlich sich letztlich dem Willen eines neuen Imperiums unterwerfen.
Der Weg zu solch gemeinsamer Anstrengung ist steinig: Immerhin hat man mit den Briten einen Partner in der EU, der solchen Plänen sehr skeptisch gegenüber steht. Und ohne Großbritannien, das weiß auch Morillon, der zwei Jahre die UN-Friedenstruppe in Bosnien kommandierte, kann ein solcher Pakt nicht funktionieren. Seiner Einschätzung nach verfügen nämlich nur das Vereinigte Königreich, Frankreich und bis zu einem gewissen Grad Griechenland über die entsprechenden militärischen Kapazitäten. Nicht zufällig appellierte auch Schröder am Donnerstag in seiner Bundestagsrede dringend an die Briten, sich an den gemeinsamen Anstrengungen zu beteiligen. "Ohne umfassende Zusammenarbeit mit Großbritannien und auch den anderen Mitgliedern werden wir die internationale Verantwortung nicht tragen können", erklärte er.
Aber auch die anderen EU-Mitglieder dürften dem Plan nicht unumschränkt zustimmen. Darauf deuteten schon die heftigen Kontroversen im EU-Auschuss, in dem der Morillon-Bericht schließlich mit 33 gegen 15 Stimmen angenommen wurde. Im Plenum des EU-Parlaments werden die Diskussionen wohl weiter gehen. Dort steht die Erörterung des Morillon-Reports am Mittwoch kommender Woche auf der Tagesordnung.