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Wie die Energiewende gelingen kann

Von Alfred Schuch

Gastkommentare
Alfred Schuch hat bis vor kurzem ein Pipeline-Projekt durchs Kaspische Meer in Zusammenarbeit mit der EU-Kommission beraten. Davor war er unter anderem für die Österreichische Energieagentur sowie die E-Control tätig, auch auf EU-Ebene, und hat als Abteilungsleiter der Hydrocarbons Unit mitgeholfen, das Sekretariat der Energiegemeinschaft in einem multikulturellen Umfeld zum Laufen zu bringen.
© privat

Die Erneuerbaren könnten viel rascher und günstiger ausgebaut werden.


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In Österreich werden in naher Zukunft viele Windräder, Photovoltaik- und Biomasseanlagen zwecks Stromerzeugung errichtet und betrieben werden müssen, um die angestrebte Klimaneutralität herbeizuführen. Diese Anlagen sind in einem sehr kurzen Zeitraum - gemäß den Zielen der Bundesregierung bis 2040 - zu installieren und in Betrieb zu nehmen.

Üblicherweise bedarf der Großteil komplexer Genehmigungsverfahren, die bisher immer, auch mangels Big-Picture-Perspektive, sehr viele Ressourcen und Zeit in Anspruch nahmen. Das Ergebnis waren jeweils lange bis sehr lange Genehmigungsverfahren, die das Erreichen der 2040-Ziele gefährden könnten. Zudem erforderten diese Verfahren immer höhere Kosten, die die Projektwerber in der anschließenden Betriebsphase erwirtschaften müssen.

Um diese Genehmigungsverfahren zu verkürzen und auch effizienter zu gestalten, könnte nachstehend beschriebene Vorgehensweise - in Analogie zu ähnlichen Prozessen in den Niederlanden - zum Erfolg führen: Das für die Genehmigungsverfahren zuständige Ministerium bildet eine eigene Agentur, die sich ausschließlich mit diesen Verfahren auseinandersetzt und die Bau- und Betriebsgenehmigungen, natürlich unter Berücksichtigung der relevanten gesetzlichen Vorgaben wie Emissionsrestriktionen für Luft, Lärm, Grundwasser, etc., erwirkt. Auch Bauflucht, Bauhöhe etc., eventuelle Aufschließung (Straße, Strom- und Gasnetz sowie Zu- und Abwasser etc.) sind im Verfahren einzubeziehen. Die Vertreter dieser Agentur verhandeln/kooperieren mit:

den Grundstückseigentümern;

den Anrainern;

anderen Stakeholdern;

anderen Behörden;

den Netzbetreibern (Strom, Erdgas, Fernwärme, Wasserstoff);

den Unternehmen;

anderen Betroffenen.

Das Ganze basierend auf vorläufigen Projektdaten (Rahmendaten) und darauf basierenden Einreichplänen - erstellt von unabhängigen Experten -, um die Rahmengenehmigungen zu erwirken. Die Behörde setzt darin keine Detailvorgaben wie etwa den Windradtyp, dieses Detail-Engineering ist innerhalb der gesetzten Rahmenbedingungen vom Unternehmen, dem das Projekt, basierend auf einem transparenten Bieterverfahren, zugesprochen wird, durchzuführen. Dieser Zugang bietet folgende Vorteile:

Offizielle Vertreter der Agentur genießen einen höheren Vertrauensvorschuss im Vergleich zu gewinnorientierten Unternehmen.

Die Agentur agiert sehr professionell, weil sie ausschließlich mit solchen Genehmigungsverfahren befasst ist.

Sie hat gegenüber potenziellen Querulanten eine höhere Verhandlungsmacht als gewinnorientierte Unternehmen, weil man das Wirken dieser Agentur mit Allgemeinwohl assoziiert.

Die Agentur hat auch gegenüber anderen, involvierten Behörden einen höheren Vertrauensvorschuss, weil sie im Sinne der Regierung und nicht gewinnorientiert handelt.

Die Vertreter der Agentur wissen, wie man mit anderen Behörden professionell kooperiert.

Sie wissen auch, wie man die Erfolge der Politik und den Wählern gegenüber effizient kommuniziert.

Auswahl parallel zum Genehmigungsverfahren

Nachdem das Projekt genehmigt wurde, kann es shovel-ready an das - in einem transparenten Vergabeverfahren (Bestbieterprinzip) - ermittelte Unternehmen sofort vergeben werden. Wie bereits erwähnt, legt der Bestbieter die Details fest, reicht diese bei der Behörde ein, und diese nimmt die Anlage ab. Um Zeit zu sparen, könnte dieses Auswahlverfahren zur Ermittlung des Bestbieters parallel zum Genehmigungsverfahren gestartet werden. Jenes Unternehmen, das gewinnt, kann:

das Planungsrisiko und die damit einhergehenden Kosten stark reduzieren;

die Finanzierungskosten reduzieren, weil Investoren und Banken in das Genehmigungsverfahren noch mehr Vertrauen setzen;

sofort loslegen - und somit die Ausführungszeit bedeutend verkürzen;

viel früher mit der Produktion von Elektrizität, Biomethan, Wasserstoff etc. beginnen, folglich früher Erlöse generieren und mit der Rückzahlung von Fremdkapital beginnen.

Durch den kurz umrissenen Zugang kann eine Win-win-win-Situation (für Allgemeinheit, Unternehmen/Jobmarkt und Agentur) geschaffen werden, die:

dem Wohl der Allgemeinheit beziehungsweise Umwelt dient;

die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Unternehmen unterstützt;

wesentliche Kostenreduktionen nach sich zieht, da die Genehmigung in fokussierter und effizienter Form durchgeführt wird und die bietenden Unternehmen kein diesbezügliches Kostenrisiko zu tragen haben.

Kurze Genehmigungsverfahren können (oder müssen?) auch mit der effizienten Beschaffung, Errichtung und Inbetriebnahme von Anlagen, die aufgrund typischer Eigenschaften einer anderen Herangehensweise bedürfen, kombiniert werden - wie hier nachstehend für Biomethananlagen beschrieben. Für das angedachte Vorgehen ist es sehr wichtig, die realistische Menge an verfügbaren Substraten für die Erzeugung von Biomethan abzuschätzen - also ergebnisoffene, vom Auftraggeber unabhängige Zahlen heranzuziehen. Ebenfalls sind eventuell gegebenen wirtschaftliche Restriktionen zu berücksichtigen, um das technisch machbare Potenzial dann auch tatsächlich auf den Boden zu bringen. Denn der Einsatz solcher Anlagen ist nicht überall, wo er vielleicht möglich wäre, auch sinnvoll.

Große Netzbetreiber mit an Bord holen

Bisher war es oft so, dass sich Landwirte (oder ähnliche Interessengruppen) zusammengeschlossen haben, um eine Biogas-/Biomethananlage zu bauen und zu betreiben. Durch solche Herangehensweisen können "economies of scale, size and scope" sehr schwer erreicht werden - dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine industrielle Vorfertigung von Biomethananlagen nur eingeschränkt möglich ist. Somit müsste man - basierend auf Daten betreffend Verfügbarkeit von Substraten - die Menge der geplanten Biomethananlagen festlegen und die gesamte Menge oder in beträchtlichen Teilschritten zum Beispiel mehr als 50 Anlagen auf einmal ausschreiben.

Dies sollte nicht durch eine (üblicherweise zu) kleine Gruppe von Landwirten erfolgen, die auch nicht das finanzielle Backing für Beschaffung und Errichtung hat, um in großen Mengen zu planen. Zumal wäre es Zufall, wenn so eine Vereinigung Erfahrung im professionellen Projektmanagement hätte. Hier könnte etwa ein großer Netzbetreiber oder eine Vereinigung von Erdgasnetzbetreibern eine führende Rolle einnehmen, kontrolliert beispielsweise durch das Ministerium oder die E-Control. Diese hätten dann auch das finanzielle Backing, um:

in großen Mengen relativ günstig einzukaufen;

günstige Finanzierungsrahmen zu schaffen;

die Errichtung und eventuell Inbetriebnahme professionell zu managen;

eventuell anfallende Claims abzuarbeiten.

Falls aus regulatorischer Sicht machbar, könnte man solche Anlagen in die "Regulated Asset Base" einbeziehen, damit ein angemessener Gewinn durch die Errichter sowie Betreiber erzielt werden kann und somit die Investoren und Fremdkapitalgeber auf eine solide Investitionssicherheit bauen können. Zusammenschlüsse von Landwirten sollten solche Anlagen betreiben - also ein abgeleitetes Prinzip von internationalen Hotelketten, die das Hotel betreiben, während Investoren die Gebäude bauen. Durch diesen Zugang würden:

soweit möglich, Anlagen mit einem relativ hohen Vorfertigungsgrad zum Einsatz kommen, was sich durch den Angebotswettbewerb der Anlagenhersteller ohnehin zwangsweise ergäbe;

die Ersatzteilhaltungen - also gebundenes Kapital - optimiert;

die Führung und Analyse der Prozesse zentral erfolgen, etwa durch den Anlagenlieferant;

die Standorte der Biomethananlagen bei der Erstellung des koordinierten Netzinfrastrukturplanes oder der rollierenden Langfristplanung festgelegt.