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Wie die Farben zu ihren Namen kommen

Von Eva Stanzl

Wissen
Um mit Missverständnissen aufzuräumen, entwickelte das US-Unternehmen Pantone 1963 ein Farbsystem mit Nummern, mit dem heute 1755 Farben zumeist im Vierfarbdruck erzielt werden.
© fotolia/redpixel

Eine Frage der Wahrnehmung: Wissenschafter erforschen, wie sich japanische Farbnamen verändern.


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Wien. "Schöne rote Schuhe", merkt eine Kollegin an. Die Trägerin ist etwa irritiert, blickt sogleich auf ihre Fußbekleidung und sagt einmal mehr: Die sind orange. Deswegen wurden sie ja auch gekauft, denn Orange macht durchaus Freude und ist modern. Rote Schuhe dagegen erinnern eher an das grimmige Märchen der Gebrüder.

Verwandte Szenen spielen sich in Gesprächen über Violett und Lila ab oder rund um sämtliche Schattierungen von Türkis, von dem sich niemand einig ist, ob es eher ins Grünliche oder stärker ins Bläuliche geht. Was lernen wir daraus? Es gibt kaum eine Gruppe von Begrifflichkeiten, die so uneinheitlich verwendet wird wie jene der Farbnamen.

Die Welt gewinnt Farbe, wenn Lichtstrahlen einer spektralen Zusammensetzung auf Materie fallen, und das geschieht in unzähligen Schattierungen. Welche Farbe wir sehen, hängt davon ab, welcher Schattierung das Auge am meisten Gewicht gibt, und das wiederum hat mit den Lichtverhältnissen zu tun und mit der Fähigkeit, Farben differenziert wahrzunehmen. "Alles, was wir wahrnehmen, strömt ungeordnet auf uns ein", sagt der deutsche Neurophysiologe Wolf Singer: "Es in Zusammenhang zu bringen, ist durchaus ein kreativer Akt."

Das Ausmaß dieser Kreativität wird sogar beim Betrachten von aktuellen Karikaturen deutlich. Zeichner verpassen US-Präsident Donald Trump wahlweise einen Schopf in Zitrone, Banane oder Karotte. Haben Trumps Haare nun einen gelben oder einen orangen Stich? Keines von beiden. Der wahrgenommene Gesamteindruck hängt nur vom einfallenden Licht ab: Unter freiem Himmel bekommen seine Haare einen kühleren Ton, bei künstlichem Licht wirken sie eher gelb bis orange. Ganz ähnlich ist es mit einer Katze, die einen pechschwarzen Eindruck hinterlässt. Im Sonnenlicht kann nämlich selbst das schwärzeste Fell einen rötlichen Schein bekommen.

"Farbe spielt eine wichtige Rolle in der Vermittlung visueller Information", betonen Forscher der Universität Tohoku in Japan und der Ohio State University, die die Evolution japanischer Farbennamen untersucht haben. "Obwohl das Auge Millionen von Farben unterscheiden kann, kennen Sprachen nur wenige Ausdrücke dafür", berichten sie in einer Aussendung ihrer Universitäten. Erschwerend käme hinzu, dass der Gebrauch der Ausdrücke sich durch den kulturellen Wandel verändere.

Für die im amerikanischen Open Access "Journal of Vision" publizierte Analyse mussten 57 in Japan geborene Testpersonen sich bei der Benennung von 320 Farbmustern inklusive Schwarz, Weiß und Grau-Tönen auf einen einzigen Begriff festlegen. Vage bleibende Wortzusammensetzungen wie "hellrosa" oder "grüngelb" galten nicht. Heraus kamen die in Industrieländern gängigen, elf Grundkategorien rot, grün, blau, gelb, violett, braun, orange, weiß, grau und schwarz, sowie einige weitere, kulturell weniger stabile Farbkategorien. Zu ihnen zählt mizu für "Wasser", hada für hautfarben/Pfirsich, matcha für "Grüntee", outo für Senf, enhi für kastanienbraun und yamabuki für "Goldblume"/gold/creme.

"Grüntee" und "Wasser"

In einer Vorgänger-Studie aus 1987 war die Farbe kusa für "Gras"/gelbgrün besonders populär. Sie wird nun durch "Grüntee" ersetzt. Dafür schrieben 98 Prozent der Probanden mindestens einem der Muster die Farbe "Wasser" zu, das 1987 bloß synonym mit Blau in Gebrauch war. "Mizu ist somit ein starker Kandidat für eine zwölfte Grundfarbe", wenn das japanische Farblexikon nun umgeschrieben werde, empfehlen die Forscher.

Es bleibt die Frage, was wodurch geschärft wird. Zweifelsohne kennen etwa die Isländer viele Begriffe, um die Farbe von Schnee zu beschreiben. Aber nehmen sie diese Farbpalette differenzierter wahr, je präziser sie mit den Begrifflichkeiten umgehen, oder ist es umgekehrt?