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Wie die Pflege direkter nach Hause kommt

Von Martina Madner

Politik

Mit wohnortnahen Stützpunkten will das Burgenland zweierlei forcieren: mehr Effizienz und einen Lebensabend zu Hause.


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Auf die bundesweite Pflegereform wartet man im Burgenland nicht. Seit 2019 geht das Bundesland mit der Anstellung von pflegenden Angehörigen einen eigenen und, wie der Landesrechnungshof nun auch feststellte, nicht ganz kostengünstigen Weg.

Gemeinsam mit Landeshauptmann Hans Peter Doskozil stellt Soziallandesrat Leonard Schneemann - beide SPÖ, schließlich regiert diese seit Anfang 2020 im Burgenland alleine - nun ein neues Pflege-Konzept vor: An 70 Pflegestützpunkten sollen künftig jeweils neun Vollzeit- oder dementsprechend mehr Teilzeitbeschäftigte die mobile Langzeitpflege und Betreuung, die Betreuung in Tageszentren für Seniorinnen und Senioren sowie betreutes Wohnen in einer Region, in der rund 4000 Personen leben, übernehmen.

Schneemann: "Mittel fallen nicht vom Himmel"

Man habe "eine Verantwortung der älteren Bevölkerung gegenüber, auch dafür sicherzustellen, dass man in Würde altern kann", holt Landeshauptmann Doskozil bei der Präsentation des Konzepts aus. Aufgabe der Politik "als Pflegefinanzierer" sei es, "mit den vorhandenen Mitteln den größtmöglichen Effekt für die Betroffenen zu erreichen".

Man wolle als Land nicht mobiler Pflegeanbieter sein, das bleiben die aktuellen, darunter Volkshilfe, Caritas, Hilfswerk, Rotes Kreuz und Diakonie. "Wir wollen sie vom Faktor Immobilie befreien", sagt Doskozil. Durch die Wohnortnähe der Stützpunkte könne man bei Fahrtzeiten Geld sparen. "Das jetzige Finanzierungsmodell umgerechnet auf Vollzeitäquivalente ergibt neun Mitarbeiter pro Stützpunkt, das ist kostenneutral", rechnet der Landeshauptmann vor. Soziallandesrat Leonard Schneemann sagt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung", dass die "Mittel schließlich nicht vom Himmel" fallen.

Bei den genauen Kosten aber will er sich erst ganz bedeckt halten, um schließlich auf Nachfrage zumindest einen Teil zu nennen: Rund zwei Millionen Euro habe die Landesimmobiliengesellschaft als notwendige Investition für einen neuen Pflegestützpunkt genannt, "sofern man ihn ganz neu auf die grüne Wiese stellt", sagt Schneemann. Bei 20 bis 30 der geplanten 70 Stützpunkte gehe es aber nicht darum, sondern um Adaptionen oder bereits bestehender Gebäude.

Pflege und Betreuungnicht trennen

Leichter tut sich Schneemann dabei, das soziale Ziel zu formulieren: Es gehe darum, dem per Umfrage erhobenen Wunsch von 98,5 Prozent der Burgenländerinnen und Burgenländern nachzukommen, und zwar "den Lebensabend im Alter möglichst in den eigenen vier Wänden zu verbringen". Deshalb sei klar, dass keines der 44 stationären Pflegeheime zu einem Stützpunkt erweitert wird: "Wir wollen keine Riesenpflegetempel, sondern in die Breite gehen, in die Gemeinden, in die Nähe der Menschen."

Landeshauptmann Doskozil sieht in den Stützpunkten auch "einen Dorfplatz, wo sich auch ältere Menschen treffen." Schneemann will darüber auch die Freiwilligen- und Nachbarschaftshilfe organisieren. Welche Berufsgruppen in den Stützpunkten tätig sind, von der Community-Nurse über die Pflege bis zur Betreuung, legt das Land noch in Gesprächen mit den Trägern fest. Fix sei eine Bezahlung über dem Mindestlohn und eine Abrechnung der Anstellungen statt von Einzelleistungen, sagt Schneemann.

Die Ausschreibungen für die zu 28 Regionen zusammengefassten 70 Stützpunkte folgen erst nach diesen Gesprächen mit Beginn 2023. Bei Bedarf könne auch eine Wohnung für eine 24-Stunden-Betreuerin dabei sein, die dann vier Personen betreut, sagt Schneemann, "weil jede nur ein paar Stunden braucht, es jetzt aber keine Alternative gibt". Auch die Anstellung pflegender Angehöriger soll es weiterhin geben.

Rechnungshof: "Dynamische Veränderung" der Kosten

Der Landesrechnungshof hat in seinem aktuellen Bericht diese Anstellungen, die stationäre Pflege und die Kosten generell analysiert und sieht eine "dynamische Veränderung" von plus 56 Prozent seit 2015 auf 145 Millionen Euro im Jahr 2019. "Ja, wir hatten 46 Prozent mehr Kosten in der stationären Pflege bei einer Angebotssteigerung von acht Prozent bei den Betten", sagt der Soziallandesrat. Als Gründe nennt er den abgeschafften Pflegeregress und die Wertanpassung bei Löhnen und Gehältern, "das alleine erklärt schon gute 15 Prozent der Mehrkosten".

Zur Finanzierung der pflegenden Angehörigen zitiert der Rechnungshof den Regierungsbeschluss vom September 2019: "Die jährlichen Kosten für das Anstellungsmodell werden im Vollausbau bei 600 Dienstverhältnissen circa 13 Millionen Euro betragen." Tatsächlich listet der Rechnungshof nun auf, dass das Land für insgesamt 222 angestellte Angehörige bis Ende 2020 Personalkosten in Höhe von 3,08 Millionen Euro bezahlt habe. Außerdem trugen die Pflegebedürftigen insgesamt eine weitere Million Euro als Selbstbehalt für die Anstellung ihrer Angehörigen bei. Das Land aber bezahlte zusätzlich 1,47 Millionen Euro an operativen Kosten an die Pflege Service Burgenland GmbH, die das Modell organisiert.

Für Schneemann bleiben die mittlerweile rund 300 Anstellungen trotzdem sinnvoll: "Wir haben dreihundert Familien dabei geholfen, wohnortnah ihre Angehörigen zu versorgen. Wer weiß, wie viele davon sonst in den Altenwohnheimen gelandet wären?", fragt sich der Landesrat. "Und bei 130 Euro pro Tag und Patient ist das Heim jedenfalls die teuerste Lösung."