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Wie die Rajapaskas ihr Land ruinieren

Von Sabine Ertl

Politik
Zu lange an der Macht: Zornige Demonstranten haben im Süden Sri Lankas die Büste von Mahindas Vater Don Alwin Rajapaksa gestürzt.
© reuters / Alasdair Pal

Sri Lanka ist zahlungsunfähig. Der seit Jahrzehnten herrschende Familienclan wird für die Krise verantwortlich gemacht.


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"Wir gehen erst, wenn die Rajapaskas weg sind." Die Botschaft der Sri Lanker ist eindeutig. Auch am 13. Jahrestag zum Ende des Bürgerkriegs gegen die separatistische Organisation Tamil Tigers (LTTE), der sich am Mittwoch jährte, sammelten sich Demonstranten vor dem Regierungssitz des noch immer im Amt befindlichen Präsidenten Gotabaya Rajapaksa. Es war sein Bruder Mahinda, der inzwischen zurückgetretene Premier, der 2009 den ein Vierteljahrhundert dauernden Bürgerkrieg mit mehr als 100.000 Toten für beendet erklärte. Die Wunden von damals klaffen tief; ein UNO-Tribunal, um die Verbrechen zu klären, gab es nie.

Es klingt wie Zynismus, dass die Ratingagenturen just an diesem Gedenktag den südostasiatischen Inselstaat für zahlungsunfähig erklärt haben. Die 30-tägige Gnadenfrist für die Rückzahlungen ist verstrichen, horrende Kredite wurden nicht zurückgezahlt. Die Schulden haben eine Summe von rund 50 Milliarden US-Dollar erreicht. China hat sich als Investor im letzten Jahrzehnt unter den Rajapaskas eingekauft. Auch Indien buhlte um das hochverschuldete Land mit Krediten. Diese können nun nicht mehr zurückgezahlt werden.

Kein Tropfen Erdöl mehr

Damit nicht genug: Anfang dieser Woche sind die Vorräte für Erdöl zur Neige gegangen. Es gibt keinen Tropfen Öl mehr im Land, also keine Devisen, um die Einfuhr zu bezahlen. Die Regierung hat nun die Bevölkerung aufgerufen, sich nicht mehr bei den Tankstellen anzustellen. Einer, der für das sich zuspitzende Drama verantwortlich gemacht wird, ist der Finanzminister: Basil Rajapaska, einer von fünf weiteren Rajapaskas im Kabinett. Die massive Abwertung der Landeswährung hatte sich abgezeichnet, offensichtlich war auch die Tatsache der unerschwinglich werdenden Importe und die Unfähigkeit, Fremdkredite zurückzuzahlen.

Als entscheidender Auslöser für die Abwärtsspirale gilt im Fall Sri Lankas ebenso die Corona-Pandemie, denn im Tourismusparadies blieben die Urlauber aus. Aber die Einheimischen prangern Misswirtschaft und Korruption an sowie die augenscheinlichen Verstrickungen der Rajapaskas in verschiedenen Staatsapparaten.

Diese reichen von der Ausübung der Kontrolle über die Sicherheitskräfte bis hin zur befehlenden Einflussnahme auf große Wirtschaftszweige. Eine für viele unverzeihliche Fehleinschätzung der Rajapaskas: Das Verbot von chemischen Düngemitteln zugunsten von Bio-Anbau hat die Bauernschaft verarmen lassen. Die Ernte des berühmten Ceylon-Tees konnte nicht eingefahren werden. Es war Gotabaya Rajapaksa, der 2019 diese Entscheidung getroffen hatte.

Die politische Elite müsse weg, heißt es vom führenden Oppositionspolitiker Harsha de Silva. Einzig die Abwahl könne das Land retten. Doch das klingt einfacher als es ist: Dies bestätigte der hochrangige Offizier Kamal Gunaratne in einem Interview mit einem indischen TV-Sender, indem er auf einen Artikel in der Verfassung verwies, wonach jeder Präsident und Ex-Präsident vom Militär bis zum Tod beschützt wird. Diese weitreichende Bestimmung schützt Gotabaya bis auf weiteres.

Was die Forderung nach Neuwahlen betrifft, zeigt sich ein makabres Detail: Es gilt als unwahrscheinlich, dass die Behörden aus finanziellen Gründen die erforderlichen Stimmzettel überhaupt drucken können. Dazu kommt ein absoluter Papiermangel. Stromausfälle stehen an der Tagesordnung. Eigentlich fehlt es an allem: Grundnahrungsmitteln und Medikamenten. "Ungeahnte Härten" kommen auf die 22 Millionen Einwohner zu, das erkannte auch Ministerpräsident Ranil Wickremesinghe und sprach von einem "Wirtschaftskriegskabinett".

Schatten der Vergangenheit

Die mittlerweile kriegsähnlichen Szenen begannen im April friedlich, getragen von allen gesellschaftlichen Gruppen: Tamilen, Singhalesen, Buddhisten, Hindus, Katholiken, Muslime sowie Nonnen, Unionisten, Studenten, Bauern. Alle wollen eines: die Regierung loswerden. Die Opposition spricht von einem "Kampf des Volkes". Schon in der ersten Maiwoche schlugen die Proteste in Gewalt um. Auslöser war ein Überfall von Regime-Anhängern auf die sogenannte Bewegung "GotaGoGama" ("Gota-hau-ab-Dorf"). Mittlerweile forderte die Staatskrise mindestens neun Menschenleben und hunderte Verletzte; dutzende Häuser und Autos wurden in Brand gesetzt. Die Regierung erklärte umgehend den Ausnahmezustand und erteilte Schießbefehl. An die Ausgangssperre hielten sich wenige.

Klein beigeben werden die Sri Lanker nicht so schnell, das Leben ist ohnehin unerschwinglich geworden. Sie pochen darauf: "Wir werden nicht nach Hause gehen, wenn du es nicht tust." Die Stimmung im Inselparadies bleibt also bedrohlich. Ob es reicht, die absolute Staatspleite abzuwenden, ist fraglich. Die Sri Lanker werden sich wohl nur von einem Ende der Ära Rajapaska besänftigen lassen.