)
Seit Monaten taumelt die SPÖ von einer Wahlniederlage in eine andere. Sie ist möglicherweise gar nicht in einer Krise. Eine Krise wäre "nur" eine einmalige Fieberkurve, die Heilung und Kräftigung verspricht. Die Entwicklung läuft in Richtung Normalität.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Bedrohte Individuen und Kollektive reagieren auf ihre Krisen mit kognitiver Dissonanz und dem Rückgriff auf alte Ideologien und Rezepte, mit Borniertheit und Radikalisierung. Weil heute der orthodoxe Gegensatz von Bürgertum und Arbeiterklasse keine Deutung mehr hergibt, entdeckt die SPÖ den universellen Dualismus von Arm und Reich als rettenden Strohhalm.
* Reichensteuer: Einführung einer neuen Vermögenssteuer auf den kräftig erhöhten Einheitswert von Grundstücken und Immobilien. Was dagegen spricht: Vermögen ist für die Masse der österreichischen Mittelklasse bereits mehrfach und hoch besteuertes Einkommen. Die Lust auf Vermögensbildung wird minimiert.
* Entfall der Beitragsbemessungsgrenze in der Sozialversicherung, die aktuell für Einkommen über 4020 Euro brutto eingefroren ist, und Einführung einer Beitragspflicht. Leistungsanreize werden noch schwächer.
* Ausweitung der Steuerfreiheit: Seit den Tarifmaßnahmen im Rahmen der Steuerreform 2004/2005 zahlen rund 300.000 Personen keine Einkommen- beziehungsweise Lohnsteuer mehr, insgesamt erzielen rund 2,4 Millionen (2006), Einkommen und zahlen keine Steuern.
Die Implikationen sind bedenklich. Steuern sind ein Mittel, um staatliche Güter und Dienstleistungen zu finanzieren. Das funktioniert, solange das Geben von Steuern und ihr Konsum in einer sozialen Balance bleiben. Heute haben wir eine soziale Ungleichheit bei der Aufbringung der Steuern und soziale Gleichheit beim Konsum. Die Zahl der Konsumenten, die öffentliche Güter ohne oder mit geringsten steuerlichen Leistungen beanspruchen dürfen und es vernünftigerweise auch tun, wird immer bunter und größer. Dies lässt die Finanzierungsdefizite explodieren. Der Steuerstaat taumelt trotz hoher Abgabenquote immer mehr in den Schuldenstaat im Dienste immer höherer sozialer Gemeinschaftsaufgaben, die absolut gerechtfertigt scheinen.
Provozierend schrieb Peter Sloterdijk vor kurzem, im Steuerstaat würden "die Unproduktiven auf Kosten der Produktiven leben", die "gesagt bekommen und glauben, man tue ihnen unrecht und schulde ihnen mehr". Man muss nicht seine diffuse "thymotische Umwälzung" des Steuerstaates verwirklichen, aber warum nicht in einem ersten Schritt alle Einkommensbezieher wieder in die Solidargemeinschaft der Steuerzahler aufnehmen und ihnen 50 Euro Solidarbeitrag monatlich abverlangen, um die Kosten öffentlicher Güter auf mehr Schultern zu verteilen? Diese würden es bald besser verstehen als die vielen sozialdemokratischen Politiker unter uns, in allen Parteien.
Werner Pleschberger ist Politologe an der Universität für Bodenkultur in Wien.