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Wie ein Fass ohne Boden

Von Reinhard Göweil

Wirtschaft

Erste-Aktie schlittert weiter bergab, Volksbank-Neuregelung verläuft zäh.


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Brüssel/Wien. Die Bankenaufseher in Europa sind stutzig geworden. Im ersten Halbjahr hat sich das weltweit gehandelte Volumen mit spekulativen Finanzderivaten gleich um 18 Prozent auf 708.000 Milliarden Dollar erhöht. Ein Teil dieser Spekulation ist - so Bankenaufseher - auf Absicherungsgeschäfte mit Staatsanleihen entfallen. Banken haben auf diese Weise ihr Risiko in Euro-Papieren reduziert, aber eben nur indirekt. Wie werthaltig das alles ist, vermag derzeit niemand zu sagen. Also wird nun vermutet, dass der Eigenkapitalbedarf der europäischen Banken, der Ende Oktober mit 106 Milliarden Euro angegeben wurde, nochmals deutlich höher ausfallen könnte. Bei deutschen Banken wird eine Verdoppelung der Summe auf mehr als 10 Milliarden Euro vermutet.

Sicher mehr ist es in Österreich geworden, denn die Raiffeisen-Gruppe hat am Freitag bekanntgegeben, dass sich ihre Kapital-Lücke von 1,9 auf 2,5 Milliarden Euro erhöht hat. Zur RZB-Gruppe gehören vor allem die börsenotierte Raiffeisen Bank International (RBI), die mit 60.000 Mitarbeitern in Österreich und Osteuropa tätig ist, sowie Versicherungen wie die Uniqa und die Raiffeisen Leasing. Beide Unternehmen verschlingen zwar nicht Kapital, fallen aber im heurigen Jahr nicht nur als Gewinnbringer aus, sondern bringen auch Verluste.

Ebenfalls in der RZB liegt ein 5,7-prozentiger Anteil an der Volksbank AG. Die 2,5 Milliarden Euro, die nun benötigt werden, sollen aber nur zum geringsten Teil über Kapitalerhöhungen aufgebracht werden, denn eine solche können sich die Raiffeisenlandesbanken als Eigentümer der RZB ohnehin nicht leisten. 500 Millionen Euro erhofft sich die Bank vom Jahresgewinn zurücklegen zu können.

Raiffeisen muss überzeugen

Eine Milliarde Euro soll aus der Umwandlung des privaten Partizipationskapitals in echtes Aktienkapital kommen. Und von der verbleibenden Milliarde soll ein guter Teil über "interne Maßnahmen" abgefedert werden: Das umfasst die Reduzierung des Geschäftsvolumens ebenso wie eine Verringerung nicht ausgeschöpfter Kredite, die trotzdem mit Kapital unterlegt werden müssen. Der geringste Teil verbleibt als Kapitalerhöhung den Landesbanken. Die Hauptaktionäre der RZB sind mit 33 Prozent die RLB Wien-Niederösterreich sowie mit je 15 Prozent die beiden Landesbanken in Oberösterreich und der Steiermark.

Was sich da so locker erzählen lässt, ist in der Praxis nicht ganz einfach. Die privaten Besitzer des Partizipationskapitals - immerhin eine Milliarde Euro - müssen überzeugt werden, dass es toll ist, die dafür garantierten acht Prozent Zinsen gegen Aktien der RZB und der Raiffeisen Bank International zu tauschen. 16,45 Euro kostet die Raiffeisen-Aktie, das ist ein sehr tiefer Wert. "Aber wer kauft derzeit Bank-Aktien?", fragt man sich auch bei Raiffeisen selbst.

Nicht einmal die zum überaus loyalen Sektor gehörenden Lanesbanken hätten damit eine Freude, ist inoffiziell zu hören. Sie halten davon immerhin 250 Millionen Euro. Bei der RZB als Mutter der RBI ist es noch diffiziler, da sie an keiner Börse notiert. Ihren Marktwert festzustellen, wird nicht einfach werden. Bis spätestens Jahresende will man den Fahrplan dafür vorlegen, sagt ein RZB-Vertreter im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Die Erste Bank, die 750 Millionen Euro benötigt, steckt in einer noch größeren Klemme. "Raiffeisen hat die Partizipationsscheine im Umfeld der Landesbanken verkauft, aber im Sparkassensektor sind diese Anteilsscheine sehr breit im Publikum gestreut worden", ist aus dem Umfeld des Finanzministeriums zu hören.

Erste Bank droht Abwertung

Dieses hat erhebliches Interesse an der gedeihlichen Entwicklung, denn in all diesen Banken steckt staatliches Kapital in Milliardenhöhe. Das immerhin wird angerechnet als "hartes Kapital", dessen Höhe europaweit mit neun Prozent festgezurrt wurde.

Haupteigentümer der Erste Bank ist die "Erste Stiftung", die knapp mehr als 25 Prozent hält. Die Aktien der Bank sind dort mit 15,50 Euro verbucht. Am Freitag lag der Aktienkurs nur noch bei 13,20 Euro. Sollte sich der Kurs bis Jahresende nicht erholen, würde eine Abwertung fällig - eine Beteiligung an einer Kapitalerhöhung ist ohnehin nicht möglich. Wegen des niedrigen Börsekurses wären die 750 Millionen Euro derzeit zwölf Prozent an der Erste-Gruppe wert.

Die Volksbank benötigt eine weitere Milliarde Euro. Das einzig Gute, das sich derzeit sagen lässt: Die Bank gilt angesichts der kommenden Schrumpfkur bald nicht mehr als systemrelevant - und muss damit auch nicht neun Prozent Kernkapital aufweisen. Auch eine Möglichkeit, doch damit sind die guten Nachrichten schon zu Ende.

Machtkampf bei Volksbank

Bei der geplanten "Fusion" zwischen Volksbank AG (ÖVAG) und den 62 Volksbanken gibt es derzeit einen heftigen internen Machtkampf, der im Finanzministerium und im Bundeskanzleramt mit wachsender Besorgnis verfolgt wird. Mit Kommunalkredit und Hypo Alpe Adria wurden bereits zwei Banken notverstaatlicht. Eine dritte will und kann sich die Republik nicht erlauben. Sollte das Modell, das sich am niederländischen Genossenschaftssektor und deren Rabobank orientiert, funktionieren, könnte erneut eine Verschmelzung mit der Bawag ins Auge gefasst werden. Für die Bawag plant deren Eigentümer, die US-Finanzgesellschaft Cerberus, einen Börsegang. Die "Story" dazu: tolles Privatkundengeschäft. Nur wenn die Volksbanken einwilligen, das sogenannte Massengeschäft darin einzubringen, gäbe es eine Chance. Insider bewerten diese aber nicht besonders hoch.

Die Bank Austria ist zwar ausreichend kapitalisiert, hängt aber an ihrer Mutter, der italienischen Großbank Unicredit. Diese benötigt 7,5 Milliarden Euro an Kapital. 76 Cent kostet die Unicredit-Aktie derzeit, dem Vernehmen nach laufen Gespräche mit Staatsfonds in Singapur und im arabischen Raum. Geld aus Kuwait wird auch mit der Erste Bank in Verbindung gebracht. "Es läuft halt alles wild durcheinander, weil niemand weiß, wie es weitergeht", schildert ein Banker der "Wiener Zeitung" die Situation.

Unicredit hofft auf Monti

In Mailand hofft die Unicredit nach dem italienischen Regierungswechsel auf den "Mario-Monti-Effekt". Bis vor kurzem gab es kaum Käufer für italienische Staatsanleihen, und für die Aktien italienischer Banken schaut es laut Investmentbankern noch düsterer aus. Das Kabinett von Ex-EU-Kommissar Monti, das ausschließlich aus Experten besteht, soll nun auch das Vertrauen in den Bankensektor wieder stärken.

"Selbst wenn sich alles ausgeht, ist klar, dass die hohen Wachstumsraten heimischer Banken vorbei sind", sagt ein ehemaliger Spitzenbanker zur "Wiener Zeitung". "Weitere Bankenkäufe in Osteuropa oder eine Ausdehnung der Geschäfte sind auch nach den Kapitalmaßnahmen nicht mehr drin."