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"Wie ein Mord ohne Leiche"

Von Clare Nullis, Vaduz

Wirtschaft

Im Vordergrund teure Luxuslimousinen, im Hintergrund riesige Kräne · an dieses Bild haben sich die Liechtensteiner in der Zwischenzeit gewöhnt. In der Hauptstadt Vaduz wird an allen Ecken und | Enden gebaut. Bürogebäude, Kunstgalerien, Juwelierläden und Banken bestimmen das Stadtbild der Hauptstadt des Fürstentums. Liechtenstein boomt, doch woher, so fragen sich einige Bewohner, kommt | eigentlich das ganze Geld?


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Im Blickpunkt stehen in den vergangenen Tagen besonders Bankgebäude und die Kanzleien von Rechtsanwälten, die der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) in einem Dossier zum Teil der Geldwäsche

bezichtigt.

Um für Aufklärung in dem Wust von Beschuldigungen zu sorgen, haben die Liechtensteiner Behörden einen Ermittler aus Österreich eingeschaltet. Er soll die Vorwürfe überprüfen, die gegen Politiker,

Richter, Polizei und Finanzberater im Raum stehen. Doch eigentlich sei schon jetzt klar, dass an den Anschuldigungen nichts dran sein könne, meinen zumindest die Spitzen in Politik und Adel. "Das ist

alles nicht wahr, eine große Lüge", ereiferte sich Regierungsrat Mario Frick, der seit 1993 Regierungschef in Vaduz ist. "Wenn Sie lesen müssten, dass Sie Regierungschef eines korrupten,

unmoralischen und unanständigen Landes sein sollen, wie würden Sie sich dann fühlen?"

Einer der zentralen Figuren soll den im Schweizer Fernsehen ausgestrahlten Auszügen aus dem BND-Dossier zufolge der ehemalige Regierungsrat Hans Brunhart sein, der von 1978 bis 1993 regierte.

Brunhart ist heute Vorsitzender einer der größten im Fürstentum ansässigen Banken, der Verwaltungs- und Privatbank AG, die alle Vorwürfe abstreitet und rechtliche Schritte gegen den BND angedroht

hat.

Die Liechtensteiner Politiker ärgern sich aber nicht nur über den Vorwurf des organisierten Verbrechens, sondern auch über die Verschwiegenheit des BND, der keine Beweise für die Vorwürfe liefere.

"Das ist doch so, als ob man des Mordes beschuldigt wird, ohne dass es eine Leiche gibt" sagt Frick. Sein Justizminister Heinz Frommelt war deshalb am Dienstag in Berlin, um die "Leiche" - den BND-

Bericht mit Geldwäschevorwürfen - in Empfang zu nehmen. Doch er musste mit leeren Händen nach Vaduz zurück fliegen.

Inzwischen räumte Frick ein, dass in Liechtenstein Geld gewaschen werde, doch das sei in anderen Ländern ja nicht anders. In 75 Fällen seien mittlerweile Untersuchungen aufgenommen worden, Beweise

gebe es aber noch nicht. Das liege auch daran, dass Liechtenstein nicht wie Deutschland einen eigenen Geheimdienst habe. Die Vorwürfe hätten die Liechtensteiner Finanzwelt ganz schön durcheinander

gebracht, sagte Frick. Eine Ansicht, die auch Paul Vogt, einer der 25 Parlamentsabgeordneten teilt: "Geldwäsche war bisher tabu. Die Menschen haben nie darüber gesprochen."

Fürst Hans-Adam II. fürchtet um den Ruf seiner Monarchie. Er vermutet hinter den Vorwürfen aus Deutschland den Versuch, auf eine Angleichung der niedrigen Steuern an das Niveau der Nachbarländer

hinzuwirken. Die Zahl der Briefkastenfirmen, die wegen der geringen Abgaben Büros in Vaduz unterhalten, ihre Geschäfte aber im Ausland abwickeln, wird auf 70.000 geschätzt. Doch der Fürst schließt

eine Erhöhung der Steuersätze aus, Liechtenstein werde sich auch dem Druck aus Deutschland nicht beugen.