Das "Danubiana / Meulensteen Art Museum" im Süden von Bratislava ist der erste Ort für internationale Kunst in der Slowakei. Das Museum, das 2000 errichtet wurde, ist heuer mit einem Erweiterungsbau neu eröffnet worden.
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Achtzehn Kilometer südlich von Bratislava entwickelt sich die Donau zu einer Breite von drei Kilometern, die bis zum gewaltigen Delta nicht wieder erreicht wird. Selbst beim letzten großen Bogen nach Osten, bei den rumänischen Städten Braila und Galati, hat der Fluss nur eine Breite von tausend Metern.
Die gewaltige Ausdehnung der Donau bei dem slowakischen Dorf Čunovo verdankt sich keiner natürlichen Entwicklung. Dieser kleine Ort gehört noch zur Großgemeinde Bratislava und liegt nahe dem Dreiländereck mit Ungarn und dem Burgenland. Vor dreißig Jahren entschied die Regierung der vormaligen ČSSR, in diesem Bereich des Donautieflands zwischen Slowakei und Ungarn eines der größten Wasserkraftwerke der gesamten Donau zu errichten, das bei Gabčikovo etwa fünfundzwanzig km unterhalb von Ču- novo gebaut wurde. Der gewaltige Rückstau einer neuen Donau an der slowakischen Seite formt die größte Ausdehnung bei Čunovo. Vor dem Kraftwerksbau war die Donau dort in drei Arme geteilt, die auf der Länge von siebzig Kilometern durch ein ausgedehntes Augebiet führen, das die Ausdehnung des österreichischen Nationalparks Donauauen weit übertrifft.
Bei Čunovo entstand eine Wehranlage, die den Wasserfluss in die vormaligen Donauarme weiterhin reguliert. Über das Wehr führt eine Straße, die das Kraftwerk Gabčikovo und einige Dörfer (die sich jetzt auf einer lang gestreckten Insel befinden) mit dem Großraum Bratislava verbindet. Eine Halbinsel, bereits weit draußen in der Donau, bildet nach dem Wehr ein Kap mit eigener Anlegestelle für Schiffe.
Der ursprüngliche Bau
An diesem spektakulären Ort wurde im Jahr 2000 das erste internationale Kunstmuseum der Slowakei, Danubiana, eröffnet. Von März 2013 bis August 2014 wurde ein ausgedehnter Erweiterungsbau in erstaunlich kurzer Zeit errichtet und im September 2014 unter dem Namen "Danubiana / Meulensteen Art Museum" wieder eröffnet.
Soweit ich mich erinnere, las ich ab 2000 in österreichischen Medien manchmal kleinere Berichte über die damalige Neugründung. Wenige Fotos zeigten das frühere Bauwerk, das der Architekt Peter Žalman (Bratislava) 1999 entworfen hatte. Die geschwungene Form erinnerte abstrahiert an ein Schiff, damals dachte ich an ein entferntes Echo von Le Corbusier. Es hieß auch, dass dieses neue Museum eine größere Sammlung internationaler moderner Skulpturen in Freibereichen zeigte. Aber viel mehr wurde darüber nicht berichtet.
Ein Grund für die spärlichen Berichte über diesen besonderen Ort ist vermutlich seine Lage im äußersten Süden von Bratislava. Die Entfernung zum Zentrum der Stadt ist beträchtlich, vom Kap des Museums ist bei klarem Licht die weiße Burg in weiter Distanz erkennbar. Der Besucher muss also wissen, dass nach dem Wehr von Čunovo die Wildnis der verzweigten alten Arme der Donau beginnt. Den Gründern dieses Bauwerks, dem holländischen Sammler und Industriellen Gerard Meulensteen (Eindhoven) und dem Direktor Vincent Polakovič schien die exponierte Lage des Ortes so eindrucksvoll, dass sie die Entfernung von der slowakischen Hauptstadt in Kauf nahmen.
Das Museum befindet sich nicht an der Donau (wie etwa das Museum Lentos in Linz), sondern in der Donau, auf dem erwähnten Kap des Wehrs, wo sich die Wassermengen des neuen Verlaufs und das frühere Flussbett teilen.
Zwei Besuche in den vergangenen Monaten ließen uns die gesamte Anlage im unterschiedlichen Licht des Hochsommers und an einem strahlenden Tag im November betrachten. Der erste Eindruck ist der von endloser Ausdehnung des Flusses, der in dem Bereich keinen Verlauf mehr erkennen lässt, da die östlichen Ufer in weiter Entfernung im Dunst zu verschwimmen scheinen. Eher erlebt man den Eindruck eines riesigen Sees im Tiefland, einer breiten Trichtermündung eines Stroms (wie etwa der Mündung der Loire in den Atlantik bei St. Nazaire, Bretagne, die drei Kilometer breit wird), oder einer holländischen Wasserwelt, die sich ebenfalls als Assoziation aufdrängte. Der Unterschied zu den Niederlanden ergibt sich im Blick nach Westen, wo die Hundsheimer Berge und der Beginn der Kleinen Karpaten bei Bratislava erkennbar sind.
Die neu eröffnete Anlage des erweiterten Museums hat vier Bereiche, die während des Besuchs auf verschiedenen Wegen begangen werden können. Der Neubau des Architekten Ján Kukulá verbindet den Eingangsbereich mit dem schiffsförmigen Altbau von 2000. Darin befinden sich als Leihgaben für einige Jahrzehnte Teile der internationalen Sammlung Meulensteen, die der holländische Sammler vor fünfundzwanzig Jahren begonnen hat. Die Sammlung enthält Werke, wie sie in österreichischen Kunstmuseen nicht oder kaum vorhanden sind.
Ein Thema ist die Entwicklung der abstrakten Malerei der vergangenen Jahrzehnte, mit Arbeiten holländischer, belgischer, französischer und nordamerikanischer Künstler. Das "Meulensteen Art Museum" verfügt über Werke von Karel Appel (1921-2006), einem der Begründer der CoBrA-Gruppe in den 1950er Jahren, und besitzt die umfangreichste europäische Sammlung von Werken des kalifornischen Künstlers Sam Francis (1923-1994). Dessen einzige Skulptur aus Stahl befindet sich im Freibereich vor dem Museum (siehe Foto).
Weite und Klarheit
Der Weg führt durch die neuen Sammlungsräume mit erweiterten Blicken auf die Donau, und die unregelmäßigen, großen Öffnungen erzeugen eine besondere Belichtung der Räume und Werke. In modernen Museen habe ich selten ein so gelungenes Konzept der Beleuchtung erfahren wie im Danubiana. Der Raum-Eindruck ist dort von Weite und klarem Bewusstsein, obwohl die einzelnen Abteilungen der Sammlung wie intime Räume wirken.
Der zweite Teil ist der Altbau mit seiner zweigeschossigen Schiffs-Form. Dort finden auf zwei Ebenen Wechselausstellungen statt. Über eine Treppe gelangt man auf das Flachdach des Neubaus, geht den Weg im Freien zurück und betrachtet dort Skulpturen, die den dritten Teil (Terrasse oder Dachgarten) bevölkern.
Der vierte Teil umfasst die Freibereiche vor dem Museum und am Kap der Anlage. Hier befindet sich die Auswahl der Skulpturen der Sammlung Meulensteen. Vincent Polakovič führte mich durch die Anlage und zeigte eine stählerne, acht Meter hohe, zweiteilige Skulptur des russischen Kons-truktivisten El Lissitzky. Der Entwurf stammte von 1923, im Jahr 2003 wurde die große Form für ein Museum in Eindhoven angefertigt. Meulensteen entschied sich dafür, die Skulptur ins Danubiana zu bringen. Das große Werk wurde mit einem LKW durch halb Europa transportiert, nicht mit dem Schiff, wie ich etwas voreilig gedacht dachte. Dafür spräche die eigene Anlegestelle für Schiffe vor dem Museum.
Den Neubau der Erweiterung hatte der slowakische Staat finanziert, nachdem Meulensteen die Anlage der Republik geschenkt hatte. Vincent Polakovič sagte, das neue Museum sei das erste seiner Art in der Slowakei.
Zwei Kunstfreunde
Aber wie kam die Begegnung zwischen dem holländischen Förderer und Sammler und dem späteren Direktor zustande? Gerard Meulensteen hatte in den frühen 1990er Jahren bereits eine Vorliebe für slowakische Künstler entwickelt, war Honorarkonsul der Slowakei in Eindhoven. Vincent Polakovič stammt aus Poprad in der Region Tatra im Norden der Slowakei. Vor über zwanzig Jahren unternahm er eine längere Reise auf den Spuren Vincent van Goghs und hat in Holland Meulensteen getroffen. Die beiden Enthusiasten verständigten sich, und so entstand zunächst in Poprad ein Museum ("Gelbes Haus für Vincent van Gogh").
1999/2000 wurde das erste Bauwerk des Danubiana errichtet. Von der besonderen Lage des Museums ist der Direktor überzeugt. Er bezeichnet das Danubiana als "eines der romantischsten Museen der Welt". Im "Jahrbuch 2013" des Museums erklärt er mit optimistischen und vor allem idealistischen Sätzen: "Es liegt an uns, wie wir Vorteile, Möglichkeiten und Herausforderungen in der Zukunft annehmen. Das Danubiana ist ein Beispiel, dass es gelingen kann. Ich bin immer noch ein Optimist und ich glaube, dass uns niemand aufhalten kann, wenn wir diese Aufgabe ernsthaft und selbstlos angehen, mit dem Ziel, etwas für die Leute zu schaffen.
Bernhard Widder, geboren 1955 in Linz, lebt in Wien und arbeitet als Schriftsteller, Lyriker, Essayist, Übersetzer und Architekt.
Am 29. November 2014, 15 Uhr, wird im
Museum Danubiana die nächste Ausstellung eröffnet: "Hermann Nitsch - das
Orgien Mysterien Theater" (bis 22. März 2015). www.danubiana.sk