Budapest kassiert für heuer drei Millionen Euro. | Kursgewinnsteuer auf drei Jahre befristen und Auswirkung beobachten. | "Wiener Zeitung": Die Schuldenkrise hat Europa fest im Griff. Was bedeutet das für das Geschäft der Vienna Insurance Group (VIG)? | Günter Geyer: Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir vor allem in Osteuropa - vom Norden bis Süden - stark vertreten sind. Der Großteil dieser Länder hat eine wesentlich niedrigere Staatsverschuldung als die westeuropäischen.
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Dazu kommt: Wir merken im Osten wieder einen Aufwärtstrend. Für die Versicherer gibt es jedoch Verzögerungseffekte. Zum einen treffen uns Wirtschaftskrisen, wie die jüngste gezeigt hat, nicht sofort. Und zum anderen werden wir, wenn es wieder bergauf geht, nicht sofort von der Erholung erfasst. Auch deshalb wird 2011 zumindest so anspruchsvoll sein wie das heurige Jahr.
Umgelegt auf Umsatz und Ergebnis: Was erwarten Sie für 2011?
Den Gewinn vor Steuern wollen wir abermals um rund zehn Prozent steigern. Das ist eine sehr hohe Latte, weil das Prämienwachstum unter dem Strich nur gering sein wird. Für Osteuropa rechne ich zwar mit einem Plus von etwa fünf Prozent auf Euro-Basis. Dieses Wachstum wird aber deutlich gedrückt werden durch eine gedämpfte Entwicklung in Österreich. Dabei fällt vor allem ins Gewicht, dass die Regierung bei Einmalerlägen in der Lebensversicherung die Mindestbindefrist von 10 auf 15 Jahre ausdehnt.
Anders als Österreich, wo nach der Finanzkrise nur die Banken eine Sonderabgabe entrichten müssen, bittet Ungarn auch Versicherungen für die Budgetkonsolidierung zur Kasse. Um welchen Betrag geht es denn für die VIG?
Heuer sind es rund drei Millionen Euro. Trotzdem wird die Gesellschaft in Ungarn positiv sein und keine Verluste schreiben.
Auf Dauer wird Sie diese im Ländervergleich überproportionale Besteuerung aber nicht glücklich machen.
Ich glaube, dass es sich um eine temporäre Maßnahme für zwei bis drei Jahre handelt. Wenn Erträge erwirtschaftet und übermäßig besteuert werden, ist das wie eine indirekte Enteignung. Das kann keine Dauereinrichtung sein.
Käme ein Rückzug aus Ungarn in Frage, falls diese Steuer bleibt?
Wenn das ewig so geht, wäre die Frage des Rückzugs sehr wohl zu stellen. Aber ich bin Optimist und sage, die Regierung wird sich überzeugen lassen. Grundsätzlich wollen wir unser Geschäft in Ungarn ausbauen. Auch durch Zukäufe. Zumindest derzeit würden wir uns das aber zweimal überlegen, wenn es dort etwas gäbe.
Stichwort Zukäufe. In welchen Ländern hätten Sie noch Appetit?
Dort, wo wir noch nicht im Spitzenfeld sind und Zukäufe wettbewerbsrechtlich möglich wären. Etwa in Albanien, Polen, der Ukraine und der Türkei. Generell - und das ist unsere Politik - wollen wir in allen osteuropäischen Ländern, in denen wir vertreten sind, unter den ersten Drei sein. Im Übrigen sind für die Ukraine und die Türkei erst in ein bis zwei Jahren Zukäufe angedacht, weil wir dort gerade umstrukturieren.
Von der künftigen Wertpapier-KESt sind Vorsorgeprodukte der österreichischen Versicherungsgesellschaften ausgenommen. Vermutlich werden sie aber weniger Rendite abwerfen, weil diese Steuer - so sagen Kritiker - der Liquidität der Wiener Börse alles andere als förderlich ist. Wie sehen Sie das?
Die neue Steuer wird Auswirkungen haben, aber das wird sich einschleifen. Ich sehe das nicht so negativ. Trotzdem wäre es sinnvoll, die Steuer in beschränkter Dauer zu fixieren, um die Auswirkungen beobachten zu können und dann das Gesetz allenfalls anzupassen. Vorstellen könnte ich mir eine Befristung von drei Jahren. Daneben muss man den Banken mehr Zeit für die Vorbereitungen zur EDV-mäßigen Abwicklung einräumen. Die Republik hat ja nichts davon, wenn das nicht klappt. Klären muss man auch die Kostenfrage. Dass die Banken ihre Investitionen ersetzt haben wollen, kann ich verstehen.
So wie Banken müssen auch Versicherer ihr Geschäft in Zukunft mit mehr Eigenkapital unterlegen, um für Krisen besser gerüstet zu sein. Das Regelwerk Solvency II ist noch im Planungsstadium. Welche Punkte sehen Sie besonders kritisch?
Etwa die Überlegung, dass 25 Prozent des Verkehrswertes von Immobilien, die gerade in Österreich relativ sicher und stabil sind, mit Eigenmitteln unterlegt werden sollen. Um die Eigenmittel finanzieren zu können, müssten Versicherer um ein Hauseck mehr verdienen. Ihre Motivation, wie bisher in Immobilien zu investieren, würde stark sinken, was sicher nicht im Interesse der österreichischen Wirtschaft ist.
Außerdem gibt es den Wunsch, dass unter dem Thema Sicherheit mehr Staatsanleihen gezeichnet werden sollen. Ausgerechnet in Zeiten, in denen man über Irland und Griechenland spricht. Im Gegensatz dazu sollen Aktien um ein Vielfaches mehr mit Kapital unterlegt werden. Mir stellt sich die Frage: Will die Regierung, dass Versicherer keine österreichischen Aktien mehr halten? Die Gefahr besteht jedenfalls, dass die Bedeutung von Aktieninvestments deutlich abnimmt, weil die Eigenmittelvorschriften auch hier mit zu hohen Kosten verbunden sind.
Ihr Chefkollege bei der OMV, Wolfgang Ruttenstorfer, ist wegen Insiderhandels angeklagt. Wie beurteilen Sie den Fall?
Laut meinen Informationen hat Doktor Ruttenstorfer bei seinem Aktienkauf völlig korrekt gehandelt. Hier wird einseitig argumentiert. Im Gesetz sollte präzise festgelegt sein, unter welchen Voraussetzungen ein Vorstand Aktien des eigenen Unternehmens kaufen darf, ohne dass man ihm Insiderwissen unterstellen kann. Derzeit ist das missverständlich geregelt. Manager laufen Gefahr, zu Unrecht kriminalisiert zu werden.
Sie sehen also grundsätzlich kein Problem darin, wenn Vorstände, die immer einen Informationsvorsprung haben, Aktien ihres Unternehmens kaufen?
Nein, es muss lediglich klare Kriterien geben. Zum Beispiel, dass nur nach jeder Veröffentlichung einer Quartalsbilanz oder zu anderen bestimmten Zeitpunkten gekauft werden darf. Ich halte es für richtig, Aktien des eigenen Unternehmens zu erwerben. Besonders bei angloamerikanischen Investoren gilt das als Vertrauensbeweis. Die fragen uns immer wieder: Warum hat der Geyer im letzten Jahr keine VIG-Aktien gekauft? Wir müssen ihnen dann erklären, er hätte das gerne getan, die österreichische Rechtslage ist aber missverständlich.
Günter Geyer (67) steht seit mehr als neun Jahren an der Vorstandsspitze der börsenotierten Vienna Insurance Group (Wiener Städtische). Österreichs größter Versicherungskonzern hat mehr als 50 Gesellschaften in 24 Ländern, beschäftigt 24.000 Mitarbeiter und kam 2009 auf 8,2 Milliarden Euro Prämienvolumen.