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Wie eine Schule ohne Fremdsprachenverbot mein Leben rettete

Von Eva (Ewa) Zelechowski

Politik
Betreff: Amtssprache Deutsch aufgrund eines "interkulturellen Konflikts". (Gefunden auf Facebook - Lukas Jung)
© Screenshot

Die "Vienna Business School Mödling" forderte Deutsch als einzige Sprache im Gebäude – nach einer Empörung im Netz spricht man von "Missverständnissen".


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Stellen Sie sich dieses Kommunikations-Schlaraffenland vor, wenn jeder Mensch den anderen verstünde. Sprachlich, versteht sich. Eine Schule in Mödling tat den ersten Schritt in diese Richtung und schickte einen Brief an alle Schüler und Schülerinnen aus: Ab jetzt dürfe im Schulhaus nur noch Deutsch gesprochen werden. Fremdsprachen nur noch im Fremdsprachen-Unterricht. Warum, weshalb? "Auf Grund eines interkulturellen Konfliktes mit dem Reinigungspersonal", informiert die Direktorin der "Vienna Business School Mödling" in einem Schreiben über den Grund des neuen Hausordnungspunktes.

Was war passiert, dass dieser seit Langem ersehnte Wunsch der FPÖ endlich erhört wurde? Ein albanischer Schüler hatte sich mit einer mazedonischen Reinigungskraft und einer türkischen Schülerin angelegt – oder umgekehrt. Man weiß es nicht genau. Jedenfalls kam es zu einem "interkulturellen Konflikt". Zwischen einem steirischen Schüler und einer oberösterreichischen Reinigungskraft ist ein solcher Konflikt jedenfalls undenkbar.

Für Telefonate herrscht die Deutsch-Pflicht übrigens ebenfalls, ist in dem Schreiben der Rektorin zu lesen. Wenn ein Vater also in der Schule anruft, darf der Sohn nicht mehr in der Muttersprache antworten. Ich selbst habe ja in den Vierteltelefon-Neunzigern die Schulbank gedrückt, da kannte man die Handys in der Größe von Ziegelsteinen nur aus Hollywood-Filmen. Aber würde mich mein Vater heute am Handy anrufen, könnte ich nicht anders als mit ihm polnisch sprechen, weil er – ja, auch sowas kommt bei den äußerst integrierten Polen vor – kaum deutsch spricht.

Was Deutschpflicht und Fremdsprachenverbot mit meinem Seelenheil zu tun haben? Mir hat einst eine Brigittenauer Schule meine junge, zerschundene Seele - ich wage zu behaupten - mein Leben gerettet. Als ich mit 14 Jahren das Schulgebäude erstmals betrat, hörte ich in der Pausenaula alle Sprachen - außer Deutsch. Ich musste fast weinen vor Freude. Mein Selbstbewusstsein war nach zwei Jahren des "Mobbings" (du Tschusch, du dreckige Polackin…) an einem transdanubischen Gymnasium vollkommen zerstört. Von nun an hieß ich "Eva", in meinem Pass stehe noch die alte Namensversion "Ewa". Außerdem sei ich in Wien geboren, nur meine Eltern kämen aus Polen. Ich log, weil ich Angst hatte. Doch hier war alles anders, hier mussten die Jugendlichen und Kinder nicht zittern, wenn sie miteinander persisch, türkisch, serbisch oder polnisch sprachen. Gelobt sei die Mehrsprachigkeit!

Kinder können grausam sein und Ausländerfeindlichkeit zieht sich bis in meine erste Klasse Volksschule, als der kleine weißblonde Niki nicht neben der dunkelhaarigen Ewa sitzen wollte, "weil sie anders ist". Ich höre es heute noch. Und habe es nicht vergessen. Wahrscheinlich ist mein Gerechtigkeitsempfinden deshalb so ausgeprägt. Solche Ge- und Verbote versetzen mich in Angst und Schrecken, denn sie sind zutiefst diskriminierend. Sie demonstrieren exakt das Gegenteil von "Offenheit und gelebtem interkulturellem Austausch", wofür die "Vienna Business School" stehen möchte, wie sie in einer Aussendung erklärt. Nach einem Eklat im Internet - schnell fand das Schreiben seinen Weg auf Facebook und Twitter - ruderte die Schule auch schon wieder zurück. In der Aussendung erklärt man zerknirscht, dass es "zu missverständlichen Formulierungen gekommen" sei. So sehr ich die Reaktion zwecks damage control verstehe – so wenig kann ich das Missverständnis erkennen, wenn im Schreiben die "Amtssprache Deutsch" gefordert wird.

Ich bin übrigens #stolzdrauf, dass ich sowohl als Volksschülerin als auch als Gymnasiastin in der Rechtschreibung immer unter den Besten war. Egal, ob als einzige Ausländerin in der Klasse oder als eine von vielen – wo es fast zum guten Ton gehörte, mehrsprachig aufzuwachsen.

Reaktion und Aussendung der Vienna Business School: "Stehen für Offenheit und gelebten interkulturellen Austausch"Facebook-Seite mit gepostetem Brief