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Umweltschutzabteilung und Wiener Tierschutzombudsstelle wollen mehr Bewusstsein für Tierhaltung schaffen.
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Wien. Fleisch vom Alpenrind - die Bezeichnung schreit förmlich nach Bio. Jeder Bissen weckt im Kopf Bilder von zufriedenen Kühen, die auf der sommerlichen Wiese grasen. Der Genuss ist gesteigert, das Gewissen beruhigt. So oder so ähnlich mag es sich vielleicht der Österreich-Ableger einer großen internationalen Fast-Food-Kette gedacht haben, als er stolz damit warb, Alpenrind in seine Zutatenliste aufgenommen zu haben.
Sieht man aber genauer hin, kann einem leicht das letzte Stück Burger im Hals stecken bleiben. Bereits auf der Homepage des Fast-Food-Giganten wird von Alpenrind als Marke gesprochen, dort wird es als Herkunftsbezeichnung behandelt. Tatsächlich aber handelt es sich bei "Alpenrind" um den größten Fleischverarbeiter Westösterreichs, der wohl nicht zufällig diesen Namen gewählt hat. Laut Homepage werden in dem Betrieb 81.000 Rinder jährlich geschlachtet und pro Woche 750 Tonnen Rindfleisch verarbeitet - und schon wurde die Vorstellung vom Bio-Rind durch den gedanklichen Fleischwolf gedreht.
"Zwar gibt es heutzutage viele Auszeichnungen und Informationen darüber, woher die Speisen kommen und welche Allergene sie enthalten, wie stark sie aber mit Tierleid verbunden sind, darüber wissen die Konsumenten oft nur wenig", beklagt Karin Büchl-Krammerstätter. Die Chefin der MA22 (Umweltschutz) hat gemeinsam mit Eva Persy, Tierschutzombudsfrau der Stadt Wien im vergangenen Jahr die Initiative "Gutes Gewissen - Guter Geschmack" ins Leben gerufen. Ziel ist es vor allem, in der Bevölkerung ein stärkeres Bewusstsein für die Rolle des Tierwohls bei der Lebensmittelproduktion zu wecken und Verbesserungen anzuregen. Denn Slogans wie "Bauernhofgarantie, aus eigener Landwirtschaft" oder "vom Bauernladen" würden falsche Vorstellungen über die Tierhaltung wecken. "Wer Eier, Fleisch oder andere Produkte aus Massentierhaltung konsumiert, nimmt in Kauf, dass dem Tier Schmerzen zugefügt wurden", betont Eva Persy.
Damit meint sie in Österreich gängige und gesetzlich erlaubte Praktiken, wie das Kastrieren von Ferkeln ohne Betäubung, das Coupieren der Ringelschwänze, die enge Kastenstandhaltung für Muttersäue und das Wegbrennen der Hornanlagen von Kälbern. Denn auch, wenn die Standards zur Massentierhaltung in Österreich höher seien als in Drittländern, sei in Österreich auch im Vergleich zu anderen EU-Staaten noch "viel Luft nach oben", meint Büchl-Krammerstätter. Zwar liegen die heimischen Standards bei der Hühnerhaltung knapp über dem EU-Schnitt, was die Schweinezucht angeht, sei Österreich aber Schlusslicht, meint sie.
Glückliche Almkuh versus Tierfabrik
Tier- und Umweltschutz gehen laut der MA22-Chefin vor allem bei der Massentierhaltung Hand in Hand. Denn diese erfordere große Mengen an Kraftfutter, das vor allem Soja enthält. Dessen Anbau beansprucht große Ackerflächen und fordert den verstärkten Einsatz von Kunstdünger. Zudem bedürfe es langer Transportwege, um das Futter zu den Betrieben zu schaffen, und die anfallende Gülle könne nicht mehr zur Düngung verwendet werden. "Außerdem haben wir große Probleme bei der Wiesenpflege, da das Heu nicht mehr als Futter eingesetzt wird. Früher war sie Begleiterscheinung der Tierhaltung, jetzt wird sie immer teurer, um die Artenvielfalt zu erhalten", betont Büchl-Krammerstätter. Diese weitreichenden Auswirkungen seien aber vielen nicht bewusst. Das Bild von der glücklichen Kuh überlagert die Realität der Massenställe.
"Das Besondere an der Initiative ist, dass wir versuchen, das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten", erklärt Eva Persy. Dabei gehe es nicht nur um die ethische Seite wie das "Zurechtschneiden" von Tieren, damit sie in der engen Massenhaltung miteinander auskämen, sondern auch den Aspekt des Umweltschutzes. "Außerdem bleiben wir nicht nur auf der Problemebene stehen und gehen auch in Richtung Lösungsansätze", fügt Persy hinzu.
Dazu hält die Initiative heute, Mittwoch, eine Fachtagung über den achtsamen Umgang mit Tieren im Bereich der Gastronomie im Impact Hub Vienna in der Lindengasse ab.
Aber nicht nur die heimische Tierhaltung sei von Bedeutung, betont Nicolas Entrup, Gründer des Kampagnenbüros "Shifting Values". Der langjährige Tieraktivist macht darauf aufmerksam, dass öffentliche Mittel über internationale Finanzinstitutionen und Exportkreditagenturen zur Finanzierung von Massentierhaltungsbetrieben eingesetzt werden. Dazu hatte er Dienstagabend einen Diskussionsabend im Radiokulturhaus veranstaltet.
Indirekte Förderung von Massentierhaltung
"Öffentliche Mittel, die in Form von Anteilen an diese Finanzinstitutionen fließen, sind meiner Ansicht nach an öffentliche Interessen gebunden - und vor allem in Österreich gehört Tierschutz dazu", meint Entrup. Hier seien noch Anfang 2013 öffentliche Gelder in Haltungssysteme im EU-Ausland geflossen, die man in Europa selbst nicht mehr wollte. So wurden beispielsweise während der Verhandlungen für ein Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine, in dem eine Anpassung der ukrainischen Tierstandards an die europäischen festgeschrieben war, Legehennenbetriebe mitfinanziert, die das doppelte an Legehennen aller österreichischen Betriebe zusammen fassen, gibt Entrup zu bedenken. "Ein großer ukrainischer Masthühnerschlachtbetrieb hat eine jährliche Schlachtkapazität von 110 Millionen Hühnern, während in Gesamtösterreich im Jahr 80 Millionen Masthühner geschlachtet werden", erzählt er. "Aber sowohl das Finanz- als auch das Landwirtschaftsministerium haben in den vergangenen drei Jahren die Forderung von Tierwohl als Investitionskriterium mitgetragen", betont er auch. Andere Institutionen, wie die internationale Genossenschaft Oikocredit Austria, haben die Einhaltung von Tierhaltungs-Mindeststandards zu einer Voraussetzung für die Vergabe von Mikrokrediten an Klein- und Mittelbetriebe gemacht.
Die Zusammenarbeit im Rahmen der Initiative hat im heurigen Jahr auch für einen "Schulterschluss in der Tierschutzszene" gesorgt, wie Eva Persy betont. Das "Bündnis für Ferkel" vereint Tierschutzorganisationen wie Vier Pfoten, den Verein gegen Tierfabriken und United Creatures. "Diese Organisationen, die im Detail doch mitunter differenzierende Meinungen aufweisen, betreiben nun gemeinsames Lobbying, damit 2019 das betäubungslose Kastrieren der Ferkel in Österreich verboten sein soll. Deutschland hat diesen Fahrplan schon gesetzlich beschlossen, das muss auch bei uns funktionieren", meint sie. 2,6 Millionen Ferkel seien laut ihr pro Jahr von dieser schmerzhaften Prozedur betroffen.
Die Tiere werden wegen des Geruchs kastriert, den Eberfleisch annimmt, sobald die Ferkel die Geschlechtsreife erlangen. Außerdem würden nicht kastrierte Eber einander in der Stallhaltung bei Kämpfen Verletzungen zufügen, erklärte der österreichische Vieh- und Fleischgroßhandelsvorsitzende Helmut Öller im "Wiener Journal"-Interview.
Er sieht die Kastration mit Betäubung aus mehreren Gründen als Herausforderung an. "Eine Kastration mit Betäubung, kostet einerseits rund 25 Euro pro Ferkel, andererseits gibt es hohe Ausfallsquoten, weil die Ferkel durch die Betäubung stark auskühlen." Öller, selbst Landwirt, merkt an, dass Ferkel natürlich Schmerzen bei der Kastration spürten, aber nach wenigen Minuten wieder auf den Beinen wären. Darum verabreiche man ihnen seit 2011 Schmerzmittel.
"Interesse zu wecken ist wichtig"
Karin Büchl-Krammerstätter ist der Überzeugung, dass es mitunter auch nur einen Anstoß braucht, um das Interesse zu wecken und Menschen auf Umwelt- und Tierschutzthemen aufmerksam zu machen. Zur Illustration zieht sie die von ihr gegründete Initiative "Born mit Horn" heran. Diese soll auf die Praxis der Enthornung bei Rindern und Ziegen aufmerksam machen. Dadurch würden den Tieren nicht nur Schmerzen zugefügt, sondern auch ihr Sozialgefüge innerhalb der Herde gestört. "Seit ich meinen ,Born mit Horn‘-Button sichtbar an der Kleidung trage und mich auch schon einige auf die Initiative angesprochen haben, sind viele meiner Kollegen und Freunde in dieser Sache viel aufmerksamer", erzählt sie freudig.
Sie habe auch schon SMS von Freunden aus dem Urlaub bekommen, die ihr geschrieben hätten, wie viel Prozent der Kühe auf der Alm noch ihre Hörner haben. "Wichtig ist jedenfalls, das richtige Maß zwischen engagiert und nervig zu finden, um es nicht zu übertreiben", meint Büchl-Kramerstätter lachend.