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Wie erklären Sie Ihre Luxuspension?

Von Clemens Neuhold

Politik

Erstmals kommentieren zwei Pensionisten der Nationalbank die Eingriffe in ihre Pensionsverträge.


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Wien. Sie sind Weggefährten: Ex-Nationalbank-General Heinz Kienzl (91) und der ehemalige Direktor der Druckerei für Wertpapiere, Herbert Skarke (75). Kienzl bekommt rund 30.000 Euro Bruttopension. In den Berichten der vergangenen Tage über diese "Luxuspensionen" war er nach dem Ex-Präsidenten der Nationalbank, Adolf Wala (32.000 Euro) der meistzitierte Fall. Skarkes Ansprüche liegen bei 20.000 Euro. Gemeinsam mit Betriebsrat Robert Kocmich gehen Kienzl und Skarke - stellvertretend für andere Kollegen, wie sie betonen - aus der Deckung und nehmen Stellung zu den Pensionskürzungen, die von der Politik nun per Verfassungsgesetz durchgeboxt werden.

"Wiener Zeitung": Herr Skarke, warum wollen Sie nicht fotografiert werden?Herbert Skarke: Ich sage es ihnen ganz offen: Ich sehe das als Menschenhatz. Ich will nicht mit einem "Most-wanted"-Bild in der Zeitung stehen.

Heinz Kienzl: Gestern hat mir mein Nachfolger Adolf Wala erzählt, dass ihn im Supermarkt ein Fremder angesprochen hat und meinte: Sie gehören auch verbrannt. Fein.

Skarke: Und Drohbriefe hat er auch bekommen.

Das kann Sie nicht aus heiterem Himmel treffen. Die Privilegien der Nationalbanker hat schon Jörg Haider vor 20 Jahren thematisiert.Skarke: Dass es so heftig wird, haben wir nicht kommen sehen. Gestern stand wo, Wala muss künftig statt mit 32.000 Euro mit 27.000 Euro auskommen. Das ist doch unfair, das sind Bruttobeträge. Er muss doch die Hälfte davon Steuern zahlen. Da bleiben dann 14.000 Euro übrig. Mir bleiben von den 20.000 Euro rund 10.000 Euro. Für einen ASVG-Pensionisten sind das noch immer Traumsummen, aber es ist doch ein kleiner Unterschied. Aus reinem Populismus werden wir nun wie Kriminelle hergestellt, die etwas gestohlen haben: Brot & Spiele zur Belustigung der Massen. Da schwingt mit, dass wir uns bedient haben, und dagegen wehren wir uns.

Robert Kocmich: Über die Verträge wusste der Finanzminister immer Bescheid. Niemand hat sich einen Vorteil herausgeschunden, der ihn heute in diese mediale Bredouille bringen sollte.

Skarke: Man darf auch nicht vergessen, dass wir die Verträge u.a. von Maria Schaumayer und Stephan Koren bekommen haben. Die beiden stehen wohl außer Verdacht, dass sie uns in korrupter Weise etwas zugeschoben haben. Und Kienzl ist damals vom Bundespräsidenten angelobt worden. Da war der Pensionsanspruch bekannt und niemand hat sich aufgeregt.

Dachten Sie nie, das ist zu viel?Kienzl: Natürlich hab ich gewusst, dass wir hohe Bezüge haben. Wie hab ich mein sozialistisches Gewissen beruhigt? Von dem, was mir die Finanz übrig ließ, habe ich die Hälfte gespendet, insbesondere für vier gewerkschaftsnahe Meinungsforschungsinstitute, mein Lebenswerk.

Meine Abfertigung von damals zehn Millionen Schilling habe ich an den Anton-Benya-Fonds zur Förderung der Facharbeit gespendet.

Aber als Sozialdemokrat können Sie doch kein Fan einer Gesellschaft sein, die von Mäzenatentum, Gönnern und Spendern abhängt.Kienzl: Hätte ich das Geld nicht gespendet, sondern es auf einer Weltreise versoffen, hätte ich ein schlechtes Gewissen. Aber ich habe es sinnvoll angelegt. Mit niedrigeren Bezügen hätte ich die Jungen hier im Institut nicht unterstützen können.

Hätten Sie schon früher freiwillig auf einen Teil der Pension verzichtet, hätten Sie sich das Ganze erspart.Kienzl: Wir haben unter uns pensionierten Direktoren immer gesagt, es wäre akzeptabel, Abschläge in Kauf zu nehmen. Am meisten haben wir uns ja geärgert, dass niemand mit uns geredet hat. Hätte jemand gesagt, wollt ihr nicht einen Solidaritätsbeitrag leisten, wären wir absolut dazu bereit gewesen. Wir dachten, man wird mit uns sprechen, aber so war es nicht.

Dagegen spricht, dass Sie, Herr Kocmich, gegen den ursprünglich verlangten Solidaritätsbeitrag von 3,3 Prozent geklagt haben. Damit wallte der Trubel um die "Luxuspensionen" wieder auf. Da haben Sie wohl übers Ziel geschossen.Kocmich: Es ging bei dieser Klage niemals um die Höhe als solches. Vom Grundsatz her wollten wir rechtlich feststellen lassen: Ist ein Eingriff des Bundes in privatrechtliche Einzelverträge dieser Form überhaupt möglich? Was ist unser Vertrag wert? Es gibt nicht nur Direktoren, sondern auch eine Unzahl von Mitarbeitern, die ihre Arbeit gemäß ihres Vertrages in der Notenbank verrichtet haben. Auch die sind von dieser Maßnahme betroffen.

Skarke: Man hat 35 Verhandlungsrunden mit Lehrern verhandelt, mit uns keine Minute.

Kienzl: Bei 1400 Pensionisten mit Einzelverträgen muss man mit allen ein Gespräch führen. Da sind viele alte Kollegen dabei, die sehr zurückgezogen, krank oder dement sind und gar nicht mehr Stellung beziehen können. Über die fährt man nun mit dem Gesetz drüber. Für die hauen wir uns jetzt rein.

Freiwillig hätten Sie auf Ansprüche verzichtet? In welcher Höhe?Skarke: Wir dürfen niemanden präjudizieren. Es sind nicht alle Direktoren. Aber wir beide können uns natürlich Abschläge leisten.

Aber 25 Prozent sind zu viel?Kienzl: Nein, wir haben immer gesagt, dass wir zu Gesprächen bereit sind. Aber es gibt doch bitte auch einen Vertrauensgrundsatz, der besagt: Wenn jemand in Pension ist, kann er darauf vertrauen, dass ihm seine Pension erhalten bleibt, weil er seine Lebensplanung darauf aufgebaut hat. Meine Lebensplanung zum Beispiel ist, dass ich diese Forschungsinstitute am Leben erhalte. Alleine hier in der Paul Lazarsfeld Gesellschaft arbeiten zehn Jungakademiker und Sekretärinnen.

Skarke: Wo kommen die 25 Prozent minus bitte her? Das gehört ausdiskutiert und begründet und nicht populistisch festgelegt, damit die Masse sieht, endlich reißen sie diesen großkopferten Bankern etwas runter.

Die führenden Verfassungsjuristen des Landes - von Heinz Mayer über Theo Öhlinger - sehen das juristisch nicht so eng in Ihren Fällen.Skarke: In Urteilen des Verfassungsgerichtshofes war immer wieder von Verhältnismäßigkeit die Rede. Da wurden Prozentsätze über zehn Prozent als nicht verhältnismäßig bezeichnet.

Eine Supermarktkassiererin mit 800 Euro Pension versteht unter Verhältnismäßigkeit etwas anderes.Skarke: Sie können Nationalbank-Generaldirektoren nur vergleichen mit Chefs der Bank Austria oder Erste Bank. Damals war die Nationalbank noch zur Hälfte im Besitz der Aktienbanken. Dort sind Jahresbezüge in Millionenhöhe die Regel. Darüber regt sich niemand auf.

Kienzl: Wir haben unsere Gehaltspolitik immer an den Aktienbanken ausgerichtet, mit denen wir um gute Leute ritterten.

Kienzl: Eine Nationalbank kann eine Volkswirtschaft in den Abgrund führen. Hätten sich Kreisky oder der Internationale Währungsfonds damals durchgesetzt, die gesagt haben, die Hartwährungspolitik (Bindung des Schilling an die D-Mark) ist nicht durchzuhalten, hätte ich mir die Kugel gegeben. Da hätten wir eine Volkswirtschaft wie Griechenland, die nicht konkurrenzfähig wäre. Wir haben die Hartwährungspolitik verteidigt und die Katastrophe verhindert.

Skarke: 1993 hat die Nationalbank in einem Geniestreich eine Währungsattacke auf den Schilling abgewehrt. Das hat der Republik Milliarden erspart. Und jetzt zieht man diese Leute in den Dreck.

So erklären Sie es der Supermarktkassiererin?Kienzl: Der kann man das so einfach nicht erklären. Das ist vielleicht das Problem.

Skarke: Das ist vielleicht nicht sehr korrekt, was ich jetzt sage, aber man sollte auch einmal schauen, was wir an Steuerleistungen abliefern. Das kommt ja auch der Allgemeinheit zugute. Wir geben ja etwas zurück. 1,8 Millionen Menschen zahlen gar keine Steuern. Berechtigterweise. Wir zahlen 47 Prozent.

Bundeskanzler Werner Faymann hat gesagt, das Gesetz ist ein Akt der
Gerechtigkeit. Sie sind beide Sozialdemokraten: Haben Sie einen anderen Gerechtigkeitssinn als der SPÖ-Chef?Kienzl: Gerechtigkeit ist die große Parole, aber ein äußerst dehnbarer Begriff. Die Politik hat wesentliche Grundsätze verletzt. Ich sehe die Problematik, dass man mit einem Verfassungsgesetz alles regeln möchte wie der Viktor Orban in Ungarn. In private Verträge eingreifen kann ein Staat vielleicht dann, wenn er vor dem Bankrott steht. Und wir haben sehr viel dazu beigetragen, wie wir hier sitzen, dass Österreich nicht bankrottgeht.

Premierminister Orban?Skarke: Die ungarische Regierung entzieht sich immer mehr dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes. Dieser Vorgangsweise schließt man sich offenbar bei uns an. Da muss es doch andere Lösungen geben, zum Beispiel Verhandlungen und Gespräche.

Sie pochen aufs Recht. Zählt ein privater Vertrag mehr als der Generationenvertrag? Die Zeiten haben sich geändert, heute können junge Menschen von Pensionen wie den Ihren nicht einmal träumen - wenn sie auf dem blutleeren Arbeitsmarkt überhaupt auf Pensionsjahre kommen.Kienzl: Meine Generation hat aus dem Trümmerhaufen die Republik geschaffen, die imstande war, diesen Generationenvertrag zu schaffen. Die Jungen müssen jetzt auch schauen, dass Sie weiter ein starkes Österreich erhalten. Zu den Pensionen: Ich war bis 71 in der Nationalbank. Heute gehen die Leute mit 58 in Frühpension.

Skarke: Zur Generationenfrage: Jede Generation hat ihr Schicksal. Wie wollen Sie es aufrechnen, wenn jemand als junger Mensch im Krieg war und nur mit Glück überlebt hat, wie Kienzl? Oder wie ich als Sohn einer Kriegswitwe, die wie in einem Entwicklungsland nicht wusste, was sie morgen kochen soll, aufwuchs? Jahre nach Kriegsende kam dann eine fantastische Zeit und die Republik prosperierte. Und aus dieser Zeit stammen unsere Verträge.

Hatten Sie damals das Gefühl, das steht mir zu?Skarke: Ich hab mit 1800 Schilling netto bei der Nationalbank begonnen. Bei Siemens als Monteur hatte ich 3000 Schilling. Doch ich hörte auf meine Mutter, die sagte, Bub, das ist ein sicherer Job. Der Pensionsanspruch im Arbeitsvertrag hat mich als 20-Jähriger überhaupt nicht interessiert. Das war bestehendes Recht. Man muss immer die Zeit berücksichtigen.

Kocmich: Das war in allen Branchen so. Auch Facharbeiter haben damals sehr gut in der Privatwirtschaft verdient. Da hat jeder gesagt, wenn man in den Staatsdienst ging, egal in welches Ministerium: Hast du schlecht geschlafen? Doch viele haben gesagt: Die Sicherheit ist mir viel wert.

Skarke: Die Nationalbank wollte immer ein attraktiver Arbeitgeber sein und hat viele Top-Banker hervorgebracht. Das kann man nicht mit Durchschnittsverdienst in anderen Branchen vergleichen.

Kienzl: Wir haben Leute wie die ehemalige Direktorin in der Europäischen Zentralbank, Gertrude Tumpel-Gugerell, oder den ehemaligen Bundeskanzler Franz Vranitzky ausgebrütet sowie unzählige andere Experten. Zahlen Sie als Notenbank vergleichsweise zu wenig, bekommen Sie keine guten Leute.

Die Zeit war, wie Sie gesagt haben, prosperierend, heute ist sie krisenhaft. Es steht noch immer die Frage im Raum: Warum haben Sie nicht früher auf Ansprüche verzichtet und sich den ganzen Ärger erspart?Skarke: Es ist laufend etwas geschehen. Im Jahr 1992 setzte Präsidentin Schaumayer durch, dass Führungskräfte 15 bis 25 Prozent des Bruttobezugs verlieren und statt 15 nur noch 14 Bezüge jährlich bekommen.

Kocmich: Wir haben viele Reformen gemacht, die nicht zur Kenntnis genommen wurden. Einkommen wurden gedeckelt, das Dienstrecht Richtung längerer Arbeitszeiten und weniger Gehalt geändert. Die Pensionen können heute nicht mehr diese Dimensionen von früher erreichen. Und wir haben schon seit 20 Jahren einen freiwilligen Pensionssicherungsbeitrag bezahlt, den "Pensionsbeitrag". Man sagte sich damals: Ja, eine freiwillige Abgabe von damals zwei Prozent ist angemessen. Da hätte man zwischenzeitlich den Versuch unternehmen können, den Beitrag auszubauen.

Doch den Versuch hat niemand unternommen. Es gab die Einsicht, dass man bei den Pensionen etwas ändern kann. Die Vorschläge wurden mit uns aber nicht einmal diskutiert. Das lag wohl am Vakuum in der Berichterstattung.

Skarke: Wie der Haider begonnen hat, uns anzugreifen, war die Leitung der Nationalbank bemüht, zu reagieren. Und es wurde auch reagiert. Die Pensionsansprüche für Neuverträge wurden bereits gesenkt. Aber - auch gestützt durch juristische Gutachten - war damals allen von uns klar: In Verträge können und wollen wir nicht eingreifen. Die Bankleitung hat akzeptiert, dass das nur zukünftige Maßnahmen betreffen kann. Pacta sunt servanda.