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Das Kapitel Gesundheit im Regierungsprogramm ist voll von schönen Worten, die über die dahinter stehenden Drohungen hinwegtäuschen.
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Politik ist das Bohren harter Bretter. Dass allerdings Rückschritt ebenfalls politische Kategorie ist und Regieren nichts mehr mit Visionen zu tun hat (so der künftige Kanzler Faymann und Wirtschaftsminister Mitterlehner), ist neu und erschreckend.
Wer das alte Koalitionsabkommen kennt, den verwundert die Seichtheit des jetzigen. Und wer weiß, dass das Kapitel Gesundheit vor einer Woche noch auf eine Halbseite gepasst hat, der versteht, dass die jetzigen acht Seiten voll von nicht umsetzbaren Überschriften sind.
Denken wir an die Qualität. Zwar wird vollmundig eine unabhängige Qualitätsagentur versprochen, die sich um alle Sektoren kümmern soll. Aber bereits zwei Kapitel weiter erfährt man, dass für den niedergelassenen Bereich die Ärztekammer zuständig ist. Und wer die Verfassung kennt, dem ist bekannt, dass die Spitäler Landessache sind. Was bleibt also dann für diese Qualitätsagentur?
Archäologisch interessant auch die Aussage, dass die Abstimmung der intra- und extramuralen Bereiche im Sinne einer integrierten Leistungsangebotsplanung zu erhöhen ist. Ähnliche Formulierungen können bereits im letzten Jahrtausend nachgewiesen werden, was die hohen Wirkungsmöglichkeiten der Gesundheitsministerien gut belegt.
Und weil man offenbar eine höhere Transparenz in das Finanzierungssystem bringen will, wird die Höhe der Pauschale für die Mehrwertsteuerrückerstattung nicht gesenkt, obwohl der Steuersatz gesenkt wurde. Die über die 1:1-Abgeltung hinausgehenden Mittel werden einfach auf die überschuldeten Träger verteilt.
Aber es sind auch drohende Dinge enthalten, die man nur sehr schön verklausuliert hat. So will man gleich einmal eine Milliarde Euro - die im Budgetfahrplan nicht vorgesehen waren, womit dieser auch zur Makulatur wird - für die Kassen in die Hand nehmen. Der Grund für die Verschuldung derselben wird nicht angegangen, daher werden sie weiter Schulden bauen. Und in fünf Jahren wird die erste und wichtigste Maßnahme der dann neuen Regierung - sicher ebenfalls wieder eine große Koalition - die neuerliche Entschuldung sein. Das Geld dafür stammt wohl aus einem himmlischen Bankomaten.
Aber so richtig gefährlich ist die Aussage, dass das Heben der Effizienzpotenziale im Kassenbereich nach den Vorstellungen des Rechnungshofberichts und der Vertragspartneranalyse (die niemand kennt!) erfolgen sollen. Gemeinsam mit dem oberösterreichischen Bundesminister Alois Stöger dürfen wir uns darauf freuen, oberösterreichische Verhältnisse zu kriegen - also Spitalsambulanzen und Wahlärzte und weniger Kassenärzte. Warum weder Länder noch Bürger aufschreien, dürfte deren Unwissenheit sein.
Und damit das alles ja sicher kommt, will man die betriebswirtschaftlichen Eigeninteressen der Kassen gleich einmal mit planwirtschaftlichen Gesetzen absichern. Denn wenn künftig die Regierung den Kassen durch Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen eine einnahmen orientierte Ausgabenpolitik ermöglicht, dann heißt das nichts anderes, als dass die Kosten nicht durch Krankheit sondern Willkür bestimmt werden. Soweit das Bekenntnis zur solidarischen Finanzierung des Gesundheitswesens.
Und weil man offenbar nicht gewillt ist, das System zu reformieren und Kompetenzen neu zu regeln, wird weiter Verschwendung vorherrschen - und dort wo man sich die nicht leisten kann, werden wir Rationierungen und Selbstbehalte finden - ganz einfach so.
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