Heimische Unternehmen wissen mit begeisterten Kunden und Komplimenten nur wenig anzufangen.
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Wien. "Es ist mir ein echtes Anliegen, Euch ein dickes Lob zu schicken. Coole Stores, toller Webshop, lustiges Team und natürlich Mega-Outfit!! Bitte lasst mich wissen, wenn ich etwas für Euch tun kann - das mach ich gern und natürlich ehrenamtlich." Diese "Liebeserklärung" mailte eine begeisterte Kundin an ihr bevorzugtes Modehaus. Doch wer glaubt, das Unternehmen hätte das Fan-Angebot freudig angenommen, der irrt. Die Antwort war eher verhalten: "Vielen lieben Dank für das große Lob. Für uns reicht es völlig, solche Fans zu haben, damit hilfst Du uns mehr als genug, und wir bedanken uns für Deine Treue!"
Was die Modefirma nicht wusste: Das Fanschreiben war zwar echt, aber auch Teil des ersten Fan-Fitness-Tests der Unternehmensberatung Corporate Grassroots Factory mit Sitz in Wien und Hamburg. Und die magere Reaktion der Modefirma erwies sich als typisch dafür, wie schlecht es um die Fan-Fitness vieler Unternehmen in Österreich und Deutschland bestellt ist.
"Fast alle Unternehmen kümmern sich um ein gutes Beschwerdemanagement. Doch für den Umgang mit Fans und Komplimenten sind sie kaum vorbereitet", bestätigt Michaela Mojzis-Böhm, Gründerin der Corporate Grassroots Factory. "Dabei sind begeisterte Kunden und treue Fans in guten und in schlechten Zeiten eine wichtige Ressource."
Ignorierte Superkunden
Die auf Fan-Management und Mobilisierung spezialisierte Unternehmensberatung hatte für ihren Test hundert Unternehmen aller Größen und Branchen in Deutschland und Österreich per E-Mail oder über Homepage-Kontaktformulare angeschrieben. Dazu wurden tatsächliche Fans der jeweiligen Firma oder einzelner Produkte engagiert, und jeder von ihnen bot an, sich unentgeltlich für das Unternehmen zu engagieren. Ernüchterndes Fazit der Tester: "Die meisten Firmen wissen mit Begeisterung und Komplimenten für ihre Leistungen und Produkte nur wenig anzufangen." So bedankten sich zwar 55 Prozent der Unternehmen für das Kompliment, boten jedoch keine Interaktion oder Fan-Aktivitäten an. Ein Viertel der Unternehmen reagierte in dem Test entweder gar nicht oder den Fans wurde das Gefühl vermittelt, lästig zu sein.
Zwölf Prozent speisten die Stammkunden mit unpersönlichen Textbausteinen ab. Lediglich fünf Prozent boten echte Aktionsmöglichkeiten für ihre Unterstützer an. Das reichte von der Bitte um persönliche Fan-Geschichten oder Online-Rezensionen bis hin zu Fan-Einsätzen als Tester oder einer Einladung in eine bestehende Fan-Community einzutreten.
Andere vergriffen sich allerdings im Ton oder gar in der Sprache. So schickte ein in Deutschland sehr präsenter Hersteller von Design-Möbeln einen Textbaustein auf Dänisch. Ein ohnehin in der Kritik stehender deutscher Regionalflughafen, der eigentlich über jede Unterstützung froh sein müsste, schrieb patzig zurück: "Sie müssen uns nichts Gutes tun."
Vertane Chancen
Dabei wäre die Rekrutierung begeisterter Kunden gar nicht so schwer. "Ein Unternehmen ist fit für seine Fans, wenn es auf Komplimente und Lob mit echten Aktionsmöglichkeiten für die Unterstützer reagiert, oder zumindest mit einer herzlichen Rückfrage, was der Unterstützer denn gern tun würde", sagen die Experten der Corporate Grassroots Factory. Ein reines Dankeschön oder ein "Weiter so" reiche dafür nicht aus. Durch fehlende Reaktionen oder einen lieblosen Textbaustein würde das Engagement oft schon im Keim erstickt.
Wer wissen will, wie man begeisterte Kunden zu eingefleischten Fans macht, muss nur einen Blick auf das US-Computerunternehmen Apple werfen. Dessen Verbundenheit mit den Kunden ist mittlerweile legendär. So hat die Facebook-Gruppe "Fans of Apple" laut eigenen Angaben eine Million Mitglieder. Apropos Social Media: Beim Fan-Fitness-Test luden nur magere sieben Prozent der Unternehmen den Absender der Fan-Post zur Mitwirkung in Social Media ein. "Wir sind überrascht, wie wenig Unternehmen da konsequent online mitdenken und um Mitwirkung, Testimonials oder Bewertungen bitten", wundert sich Corporate-Grassroots-Factory-Expertin Karin Volbracht. "Das wäre eigentlich das Minimum an Fan-Mobilisierung, doch da scheint es zumindest bei den von uns getesteten Firmen vielfach einen blinden Fleck zu geben." Was Firmen ohne Fan-Fitness auch übersehen: Superkunden zu ignorieren kann gefährlich werden. "Man darf seine Fans nicht im Stich lassen, und man darf sie niemals enttäuschen", warnt Anne M. Schüller, Autorin des Bestsellers "Das neue Empfehlungsmarketing". Denn dann schlage achten in ächten und verehren in verleumden um.