Anwaltstag zum Thema Freiheit. | Überwachung zum Teil "überschießend". | Wien. "Wir wollen, dass nichts mehr geschieht, was ohne ausreichenden Grund in Freiheitsrechte von Bürgern eingreift - und vor allem nicht ohne Verfahren", fordert Gerhard Benn-Ibler, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags, bei einer Pressekonferenz am Mittwoch.
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Die Einschränkung der Freiheit im Namen der Sicherheit wird einen der wesentlichen Diskussionspunkte beim diesjährigen Anwaltstag am Freitag darstellen. Benn-Ibler warnt insbesondere vor der in Diskussion stehenden Handy-Ortung, wodurch der Aufenthaltsort jedes Österreichers ohne richterlichen Befehl und Tatverdacht jederzeit feststellbar sei.
Von einer "rasanten Entwicklung hin zum gläsernen Menschen" spricht die Vizepräsidentin der Wiener Rechtsanwaltskammer, Elisabeth Rech: Mit dem Argument "Pässe müssen sicher sein" stelle die Abnahme von Fingerabdrücken, die früher als Schande galt, heute eine Selbstverständlichkeit dar. Als Motiv im Hintergrund sieht Rech aber die Etablierung einer EU-weiten Fingerabdruck-Datenbank. Kritisch äußert sie sich auch zur Videoüberwachung: Nur drei Prozent aller Straftaten würden in Großbritannien, wo die meisten Überwachungskameras im Einsatz seien, mit deren Hilfe aufgeklärt.
Ein zentrales Regierungsdepot zur Aufbewahrung von Briefen zur späteren behördlichen Öffnung sei früher undenkbar gewesen: Gegen die nun geplante Internet-Vorratsspeicherung würden sich jedoch kaum Proteste regen.
Kritik an Gerichtskosten
Auch die heuer stark erhöhten Gerichtsgebühren führen zu Freiheitseinschränkungen, findet der Wiener Rechtsanwaltskammerpräsident Michael Auer: Unstrittige Scheidungsverfahren seien um 21 Prozent teuerer geworden, erst instanzliche Gerichtsverfahren um 160 Prozent. Selbst für Akten-Kopien bei Gericht müsste nun ein Euro pro Seite bezahlt werden. Das Motto laute offenbar: "Lieber Bürger, mache alles, aber gehe nicht zu Gericht." Er fordert die Einführung eines rechtlich durchsetzbaren, außergerichtlichen Anwaltsvergleichs.
Vom oft kritisierten Weisungsrecht des Justizministeriums über die Staatsanwälte wollen die Rechtsanwälte nicht abweichen: Die Übertragung an einen vom Parlament kontrollierten Generalstaatsanwalt würde zu einer "Verpolitisierung" der Justiz führen, warnt Benn-Ibler.