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Wie gefährlich ist Nordkorea?

Von George Jahn/AP

Politik

Wien. Dass Nordkorea erstmals einen Atomsprengsatz gezündet hat, scheint so gut wie sicher. Die Frage, die sich nun stellt, lautet: Ist das kommunistische Land auch in der Lage, nukleare Sprengköpfe für Raketen zu bauen? Nach allgemeiner Einschätzung wird dies noch mehrere Jahre dauern. Denn auch die nordkoreanischen Raketen sind alles andere als ausgereift.


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Über welches militärische Potenzial das Regime in Pjöngjang verfügt, ist ein großes Rätsel. Die meisten Schätzungen gehen davon aus, dass die Vorräte Nordkoreas an Plutonium oder angereichertem Uran für rund ein Dutzend Nuklearwaffen ausreichen. Diese Tatsache allein stellt aber noch keine unmittelbare Bedrohung für die Staaten der Region oder gar für die USA dar. Die Wahrscheinlichkeit, dass Nordkorea einen Atomsprengkopf für eine Rakete besitze, sei gleich null, sagt David Wall, ein Experte des in London ansässigen Instituts Chatham House. Der nordkoreanische Präsident Kim Jong Il könne die Bombe allenfalls "auf dem Rücksitz eines Taxis nach Seoul bringen".

Der gleichen Meinung ist Gordon Chang, Autor des Buches "Nuclear Showdown: North Korea Takes on the World" (Nukleare Machtprobe: Nordkorea nimmt es mit der Welt auf). Nordkorea könne eine Atombombe womöglich auf einem Frachtschiff transportieren oder aus einem Frachtflugzeug abwerfen. Der entscheidende Punkt ist aber, ob das Land einen Sprengsatz zu bauen vermag, der klein genug für eine Rakete ist. "Ich glaube nicht", lautet Changs Antwort.

Dagegen warnt der ehemalige UN-Waffeninspektor David Albright davor, Pjöngjang zu unterschätzen. Möglicherweise sei das Waffenprogramm schon weiter fortgeschritten als vermutet. "Wir wissen nicht viel, aber Nordkorea arbeitet seit langem daran", sagte der Präsident des Instituts für Wissenschaft und Internationale Sicherheit (ISIS) dem Fernsehsender CNN. Das Atomwaffenprogramm reiche bis in die 80er Jahre zurück.

Doch selbst wenn Nordkorea in der Lage wäre, einen Nuklearsprengkopf zu bauen, hieße das noch lange nicht, dass er auch befördert werden könnte. "Die Trägerraketen sind erst in einem Entwicklungsstadium", sagt der Moskauer Waffenexperte Pawel Solotarew. Vor acht Jahren zündete Nordkorea zum ersten Mal eine Langstreckenrakete, die über Japan hinweg flog. Im Juli dieses Jahres testete das Land erfolgreich ein halbes Dutzend Kurz- und Mittelstreckenraketen. Eine Langstreckenrakete vom Typ Taepodong 2 explodierte dagegen kurz nach dem Start und stürzte ins Meer.

Dennoch, so glauben Experten, ist es nur eine Frage der Zeit, bis Nordkorea diese technischen Schwierigkeiten überwunden hat. Wenn das Atomwaffenprogramm nicht aufgegeben werde - sei es freiwillig oder erzwungenermaßen - dann werde Pjöngjang innerhalb eines Jahrzehnts zu einem Atomschlag in der Lage sein, lautet die allgemeine Einschätzung. Und allein die Tatsache, dass Nordkorea ungeachtet aller internationalen Warnungen am Montag seinen ersten Atomwaffentest durchgeführt hat, ist alarmierend. Denn der Vorfall zeigt, dass Pjöngjang der Staatengemeinschaft trotzt und nicht einmal mehr auf seinen kommunistischen Bruderstaat China hört.