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Wie gefährlich ist Orbán?

Von Thomas Wallerberger

Gastkommentare
Thomas Wallerberger studierte in Wien Soziale Arbeit und studiert momentan an der Universität Wien und der Universität für angewandte Kunst. Seit 2011 Projektmitarbeiter der Theodor Kramer Gesellschaft und ehrenamtliche Mitarbeit im Republikanischen Club - Neues Österreich. Zusammen mit der Licra ("Ligue Internationale Contre le Racisme et l’Antisémitisme") Organisator der Veranstaltungsreihe "Über Ungarn sprechen" in Kooperation mit der "Wiener Zeitung".

Der Ministerpräsident plant mit seiner Fidesz-Partei einen nachhaltigen Umbau der ungarischen Gesellschaft.


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Wie gefährlich ist Orbán? Das ist nach der Ungarn-Wahl die Frage der Stunde. Manche meinen, Orbán wäre ein Faschist, was bestimmt nicht stimmt, er ist aber möglicherweise der vorerst letzte Ministerpräsident eines demokratischen Ungarn, wie wir es kennen, die Zwischenstation auf dem Weg zu einem autoritären Staat. Nach der Niederschlagung der ungarischen Räterepublik herrschte von 1920 bis 1944, der "Reichsverweser" Miklós Horthy, autoritär und ausschließlich. Orbán scheint eine ähnliche Regierungsdauer und -art anzustreben. Am Ende der Herrschaftsperiode Horthy stand der Sturz durch die Nationalsozialisten und das faschistische Pfeilkreuzlerregime. Horthy war Kollaborateur und mitverantwortlich für die Ermordung der ungarischen Juden. Ihm zu Ehren werden heute - nicht zufällig - wieder Denkmäler errichtet.

Orbán plant mit seiner Fidesz-Partei einen nachhaltigen Umbau der ungarischen Gesellschaft. Seine Rhetorik ist vorwärtsgerichtet, einer "großen Zukunft" entgegen. Es geht ihm dabei ums Ganze, um ein politisch homogenes "Wir", um das Ungarntum schlechthin. Orbán ist zwar kein Faschist, aber er ist ein Demokratiefeind und im schlimmsten Fall ihr Totengräber. Das Schuldregister diesbezüglich ist lang: Richterposten werden mit Parteifreunden besetzt, das Verfassungsgericht wird entmachtet, die Staatsform "Republik" gestrichen, Medien werden gegängelt, Wahlgesetze zum eigenen Vorteil geändert, Wissenschaft und Kunst in den Dienst gestellt.

Wie andere europäische Volksparteien führt auch Fidesz einen konservativen Privilegienkampf, versucht den Mittelstand und die ungarische Elite hinter sich einzureihen und verbindet wirtschaftlichen Protektionismus mit neoliberaler Sozialpolitik. Das System Orbán zeigt dabei sein problematisches Gesicht, Schulfreunde werden Parlamentspräsidenten oder Höchstrichter, Treue wird belohnt. Die weltberühmte ungarische Philosophin Ágnes Heller bezeichnet diese Buberlpartie als neuen Bonapartismus.

Der Gegenstand dieser Politik ist Macht, und das wirklich Gefährliche daran ist der muntere Eklektizismus, der betrieben wird, um diese zu legitimieren und abzusichern. Ihr muss auch die Geschichtsschreibung dienen. Die Geschichte Ungarns wird als eine Abfolge von "nationalen Tragödien" dargestellt. Durch das Aneinanderreihen der gescheiterten Revolution 1848, des ungerechten Trianon-Friedensvertrags, NS-Regime, Kommunismus, Niederschlagung der 1956er-Revolution usw. wird so etwas wie eine "nationale Geschichte" konstruiert, ungeachtet der gesellschaftlichen und realen Kämpfe, die diese Ereignisse ausgemacht haben. Orbán tritt als Rächer dieser Geschichte und Anwalt der Ungarn auf.

Der neue "Ethnizismus", dem Fidesz, gemeinsam mit der rechtsradikalen Partei Jobbik, Vorschub leistet - nach dem Motto "Wer Ungar ist, bestimme ich"-, gekoppelt mit dem weiterhin stark verankerten Antisemitismus und dem Gefühl der territorialen Eingeengtheit, ist ein gefährliches Gemisch. Die nationalen Angelegenheiten werden den Ungarn als persönliche Angelegenheiten nahegelegt, fast als würden Verletzungen des Staatskörpers einem selbst angetan. Auch für die Nachbarn ist das gefährlich, ehemals ungarische Territorien in Rumänien oder der Slowakei sind demnach wie verlorene Finger an der Hand eines jeden Ungarn, der ein ordentlicher Patriot sein möchte.