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Wie gefährlich sind Löwen für das Kino?

Von Christina Böck

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Ein vier Stunden langer Film! In Schwarz-Weiß! Und das in Zeiten von 3D, VR und Pokemon Go! Dass so ein Machwerk den Goldenen Löwen bei den Filmfestspielen von Venedig bekommt, damit können die italienischen Filmkritiker nur mäßig umgehen. Die preisvergebende Jury wird kritisiert, weil der Film "The Woman Who Left" von Lav Diaz zu lang, zu starr und für ein größeres Publikum als ein paar Beim-Abspann-Sitzenbleib-Cineasten alles andere als brauchbar sei. Enrico Vanzina, Autor von Komödien, in denen lustige Kannibalen mit Knochenhaarschmuck Männerköpfe im Kochtopf schmoren, sagte zum Beispiel der "La Stampa": "Die Gefahr ist, dass die Leute den Film sehen, der den Goldenen Löwen gewonnen hat, und dann zwei Monate lang keinen Film im Kino mehr sehen wollen. Das schadet dem gesamten Kino."

Der Festivaldirektor weist solche Vorwürfe naturgemäß zurück. Alberto Barbera sagt: "Festivals sind Veranstaltungen mit der Hauptaufgabe, Qualitätsfilme zu verteidigen, die heute von einem Markt benachteiligt werden, der nur auf die Gewinne schaut." Da hat er recht: In Zeiten, in denen die Programmkinos immer weniger werden und etwa die Betreiberin des ältesten Kinos in Wien, der Breitenseer Festspiele, drastisch ihre Lage schildert: "Im letzten Monat sind nur 150 Besucher gekommen. Mir ist nichts mehr zum Essen geblieben", sind solche Festivalgewinner wichtig. Weil sie daran erinnern, dass Kino mehr sein kann als Superheldenverfilmungen. Und außerdem ist "The Woman Who Left" mit nur vier Stunden für Lav Diaz’ Verhältnisse eh ein Publikumsmagnet. Sein letzter Film dauerte immerhin noch acht Stunden.Seite28