Monopolisierung der Medienlandschaft bereitet Sorge. | Wien. Während Wissen früher nur einem beschränkten Personenkreis zugänglich war, sorgen heute neue Medien für immer weniger überschaubare Datenmengen, die weltweit jedem zur Verfügung stehen. "Wie sollen wir heute mit Wissen umgehen?", formulierte der Philosophieprofessor Peter Kampits die zentrale Frage der dritten Podiumsdiskussion der Reihe "Grenzgänge in der Wissenschaft", die am Donnerstagabend in der Wiener Universitätsbibliothek stattfand. Vier Experten untersuchten den Umgang mit Wissen und Information im Hinblick auf Ethik und Verantwortung.
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Zunächst blieb die ethische Dimension eher ausgeblendet. Thomas Bauer, Professor am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Uni Wien, beschrieb den Vorgang, durch den Wissen überhaupt erst entsteht. Im Gegensatz zum intuitiven Alltagswissen, sei das Wissenschaftswissen mehr diskursiv. Da Wissenschaft ein gesellschaftliches Konstrukt sei, bei der Gesellschaft und Kultur mitspielen, sei auch die Objektivität der Wissenschaften nicht absolut, sondern kulturell gebunden.
Seriosität ist bedroht
Andreas Unterberger, Chefredakteur der "Wiener Zeitung", sprach aus dem Blickwinkel journalistischer Praxis. Absolute Wahrheit im Journalismus gibt es auch für ihn nicht. Einige Entwicklungen stellten aber eine Bedrohung für den seriösen Journalismus dar. So hat die übers Internet gratis zugängliche Datenfülle dazu geführt, dass die Auflagen prominenter Zeitungen international rückläufig sind. Beim Internet entsteht das Problem: "Wer zahlt für die ethisch richtige Auslese an Informationen?"
Ethische Gesichtspunkte treten aber auch bei Zeitungseigentümern zurück, die heute nur mehr aufs Geldverdienen achten. "Ein spezieller Sorgenpunkt in Österreich ist die starke Monopolisierung der Medienlandschaft. Man braucht einen Pluralismus von Standpunkten." Neu sei in der Politik auch die Funktion der Spindoktoren: Sie sorgen dafür, dass Sachverhalte nur stark manipuliert in die Öffentlichkeit kommen.
Ausgerechnet von naturwissenschaftlicher Seite wurde die Bedeutung der Ethik hervorgehoben. Christian Noe, Dekan der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien, machte darauf aufmerksam, dass "viele prominente Wissenschafter ethisch fragwürdig forschen". Die Ethik käme jedoch zum wissenschaftlichen Forschen nicht wie etwas Äußerliches hinzu. Sie hätte einen intrinsischen Anspruch für jedes menschliche Handeln.
Die Rolle des Gewissens
Der Mathematiker Rudolf Taschner vom Institut für Analysis und Scientific Computing der TU Wien erweiterte den Blick vom Wissen zum Verstehen. Er selbst lerne ein und dasselbe Wissen im Laufe der Jahre immer besser und unter verschiedenen Aspekten verstehen. "Verstehen ist ein subtiler, individueller Prozess und etwas anderes als Wissen". Der Hintergrund allen Verstehenwollens sei das Gewissen.
Am Ende wurde auch der Prozess des Verstehens um einen neuen Gesichtspunkt erweitert: "Wer etwas von der Diskussion verstanden hat", erklärte Christian Noe in Richtung Publikum, "der hat sich auch physiologisch verändert."