Robert Mugabe hat - mit viel Manipulation und Repression - seine Wiederwahl geschafft; die Probleme Simbabwes hat er weniger gut im Griff. Neben innenpolitischen Zerwürfnissen und sozialen Spannungen droht nach der abstrusen Landreform nun auch eine Hungerskatastrophe. Westliche Sanktionen sind kontraproduktiv, insbesondere die EU sollte sich vielmehr um einen echten politischen Dialog bemühen.
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Dem amtlichen Endergebnis der vom 9. bis 11. Mai abgehaltenen Präsidentschaftswahlen in Simbabwe zufolge sollen sich knapp 1,69 Millionen Wähler und Wählerinnen (56 Prozent) für den seit 1987 amtierenden Staatspräsidenten Mugabe ausgesprochen haben. Auf Mugabes Herausforderer, den ehemaligen Gewerkschaftsführer Morgan Tsvangirai, sollen 1,28 Millionen Stimmen (42 Prozent) entfallen sein. Kandidaten von Kleinparteien blieben bedeutungslos. Bei den zeitgleich abgehaltenen Gemeinderatswahlen konnte die Oppositionspartei Movement for Democratic Change (MDC) ihre Position konsolidieren.
Eine Entspannung der kritischen Situation des südostafrikanischen Landes ist mit diesem Abschluß des Wahlverfahrens freilich nicht zu erwarten. Erstens kann Mugabes Wahlsieg nicht als "frei und fair" gewertet werden. Anschuldigungen einer "totalen Fälschung" des Wahlergebnisses sind vermutlich zwar übertrieben - immerhin schaffte bei den zeitgleich abgehaltenen Gemeinderatswahlen erstmals ein MDC-Kandidat den Sprung auf den Bürgermeistersessel von Harare, in weiten Landesteilen sah sich die Wahlkampagne der Opposition aber mit unüberwindlichen Hindernissen konfrontiert.
Über dreißig Menschen fielen seit Jahresanfang einer massiven Einschüchterungskampagne seitens der der Regierungspartei ZANU-PF nahestehenden sog. Jugendbrigaden zum Opfer. Restriktive Veränderungen des Wahlrechts wurden vom Präsidenten teilweise gegen den Widerstand des Parlaments und des Obersten Gerichts durchgesetzt, der Wahlablauf selbst von den Behörden durch organisatorische Manipulationen gerade in den Hochburgen der Opposition - den beiden Matabele-Provinzen und den großen Städten - massiv behindert.
Angesichts dessen spricht nicht nur der Bericht der einzigen europäischen Beobachterdelegation, nämlich jener des Nicht-EU-Mitglieds Norwegen, vom "Verfehlen der allgemein akzeptierten grundlegenden Kriterien für Wahlen"; vor allem die schon lange im Vorfeld tätig gewesenen NGOs aus Simbabwe selbst haben sich eindeutig negativ zum Charakter der Präsidentschaftswahlen geäußert - etwa das "Zimbabwe Election Support Network" (ZESN), der Gewerkschaftsbund oder Erzbischof Pius Ncube von Bulawayo. Demgegenüber erscheinen gegenteilige Bestätigungen eines "freien und fairen" Wahlverlaufs durch Regierungsdelegationen aus dem Südlichen Afrika oder durch andere blockfreier Staaten vor allem außenpolitisch motiviert.
Mehr Probleme denn je
Wahlverlauf und Ergebnis haben zweitens Simbabwes Position für die Bewältigung der anstehenden innen- und wirtschaftspolitischen Probleme keineswegs verbessert - eher im Gegenteil. Offen bleibt, ob es kurzfristig zur Wiederherstellung jener innenpolitischen Stabilität, derer sich Simbabwe in den ersten Jahren nach der Unabhängigkeit rühmen konnte, kommen wird; dass die Ankündigung einer landesweiten Protestkampagne durch den Gewerkschaftsbund von Zimbabwe (ZCTU) von der Regierung mit ersten Repressalien beantwortet wurde, stimmt bedenklich. Inwieweit Versuche Südafrikas und Nigerias erfolgreich sein werden, Mugabe und Tsvangirai zur Schaffung einer "Regierung der Nationalen Einheit" zu überreden, bleibt ebenfalls abzuwarten. Und neben dem vergifteten innenpolitischen Klima ist es vor allem eine dramatisch schlechte Wirtschaftslage, die Zimbabwe und seinen wiedergewählten Präsidenten noch auf Jahre hinaus begleiten wird.
Landreform ohne Ernte
Nicht nur haben die chaotisch umgesetzte Landreform und die Aufteilung vieler Farmen auf städtische Arbeitslose - die sog. Kriegsveteranen - zur Unterbrechung des Aussaat/Ernte-Zyklus und zum Verzicht auf Investitionen in die Landwirtschaft geführt. Die Agrarproblematik wird vielmehr auch durch die beginnende Dürrekatastrophe im gesamten Südlichen Afrika verstärkt. Einer Berechnung des US-amerikanischen "Famine Early Warning Systems Network" zufolge ist für 2002 mit einem um 50 bis 70 Prozent niedrigeren Ernteertrag als im Vorjahr zu rechnen. Bereits jetzt zeichnet sich in den süd- und südöstlichen Landesteilen eine akute Versorgungskrise ab; der Mangel an Lebensmitteln wird kaum noch durch Hilfslieferungen internationaler Organisationen und Südafrikas ausgeglichen.
Soziale Krise made by IWF
Diese aktuellen, politisch und ökologisch bedingten wirtschaftlichen Probleme stehen zudem vor dem Hintergrund einer im Vergleich zu den 1980er Jahren merkbaren Verschlechterung der sozialen Lage, die weithin dem 1990 begonnenen Strukturanpassungsprogramm Simbabwes zuzuschreiben ist. Hoffnungen auf Überwindung der durch koloniale Wirtschaftspolitik und Destabilisierung seitens des damaligen Apartheid-Regimes in Südafrika durch eine verstärkte Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds, denen sich eine Generation westlich orientierter Wirtschaftspolitiker rund um Mugabes langjährigen "Superminister" Bernard Chidzero hingegeben hatten, wurden allerdings bitter enttäuscht. Das Programm führte binnen weniger Jahre zu einem drastischen Absinken des Gesundheits- und Bildungsstandards, verstärkter Importkonkurrenz und einem Anstieg der Arbeitslosigkeit; und die Abhängigkeit Simbabwes von internationalen Kreditgebern verstärkte sich.
Mugabes vertane Chancen
Zu spät hat sich Harare über die Ursachen dieser Entwicklung Rechenschaft gegeben. Versuche, das Strukturanpassungsprogramm nur halbherzig umzusetzen, wurden international mit Kreditblockaden beantwortet. Auch seitens der Europäischen Gemeinschaft wurde Simbabwe diesbezügliche politische Unterstützung nicht gewährt. Nicht mit Unrecht hat Mugabe in den letzten Jahren daher immer wieder den neo-kolonialen Charakter der Beziehungen zwischen Nord und Süd, die zunehmende Abhängigkeit Simbabwes von Großbritannien (und von der EU) angeprangert. Gerade seine Weigerung, Koalitionen mit den neuen sozialen Bewegungen seines Landes (vor allem den Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen) zu schließen und einen ehrlichen Ausgleich mit der ndebele-sprachigen Bevölkerungsminderheit im Südosten des Landes zu suchen, hat ihn allerdings die soziale Basis für eine Auseinandersetzung mit den Entscheidungsinstanzen der post-kolonialen Globalisierung gekostet.
Die taktisch unkluge und konzeptionell zudem unklar gebliebene Verhängung selektiver "Sanktionen" der Europäischen Union gegen Simbabwe am 18. Februar haben angesichts dessen Mugabes Image als "Vorkämpfer der Dritten Welt" und die Verleumdung von Oppositionsführer Tsvangirai als "Marionette der Kolonialisten" noch verstärkt. Nicht zufällig haben sich Teile des Commonwealth sowie China (auch angesichts von Mugabes jahrzehntelanger Bindung an den Maoismus nicht verwunderlich) eindeutig hinter den derzeitigen Staatspräsidenten gestellt. Simbabwe wird dadurch - unglücklicherweise - zu einem Testfall für die Funktionsfähigkeit der Afrika-Politik der EU und im besonderen des Cotonou-Vertrags, der in der Dritten Welt ohnehin vielfach als Instrument zur Aufrechterhaltung ungerechter Nord/Süd-Beziehungen betrachtet wird: Während für Europa unbedeutende afrikanische Staaten durch Sanktionen zur "good governance" gezwungen würden, blieben Menschenrechtsverletzungen wichtigerer Handels- oder Politikpartner der EU (wie etwa Israels) ohne Beachtung... .
Nur die Eröffnung eines echten "politischen Dialogs" zwischen EU und Simbabwe, verbunden mit massiver Katastrophen- und Entwicklungshilfe sowie einer fühlbaren Liberalisierung der strikten makroökonomischen Auflagen des Strukturanpassungsprogramms hätte angesichts der verfahrenen politischen Lage Aussichten darauf,, Vertrauen wiederzugewinnen, einen nationalen Konsens zwischen den verfeindeten politischen Lagern herzustellen und somit Voraussetzungen für eine innenpolitischen Stabilisierung zu schaffen. Internationale Mediation - etwa seitens der Vereinten Nationen - wird dafür wohl erforderlich sein. Gerade Österreich als ein neutrales, in Simbabwe seit der Unabhängigkeit solidarisch engagiertes EU-Mitglied, könnte mit einer Initiative in diese Richtung beginnen.
W. Sauer ist SADOCC-Vorsitzender.