Ausfall einzelner, aber nicht aller Gene ist kompensierbar. | Tübingen. Max-Planck-Forscher um Thomas Braun, Bad Nauheim/Hessen, sind im Begriff, die Rolle von Genen bei der Muskelentwicklung zu klären. Aus früheren Arbeiten mit "Knock-out-Mäusen" wussten sie, dass Embryos eine Skelettmuskulatur entwickelten, auch wenn die dafür kodierenden Gene ausgeschaltet waren. Andere Zelltypen übernahmen diese Aufgabe.
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Wird aber ein myogener Regulationsfaktor (MRF) ausgeschaltet, kommt es immer zu unterschiedlich schweren Defekten bei der Muskelentwicklung. Komplett "vergessen" wird der Muskelaufbau im Embryo, werden mehrere MRFs zugleich ausgeschaltet.
Um mehr über die Funktionen der einzelnen Gene bei der Muskelentwicklung zu erfahren, schleusten die Max-Planck-Forscher ein "Selbstmord-Gen" in das Maus-Genom ein und aktivierten es gezielt während der Embryonalentwicklung. In der Folge starben bis zum 16. Lebenstag nahezu alle Zellen ab, die den Muskelentwicklungsfaktor Myf5 enthielten. Dennoch erlitt der Embryo keinen dauerhaften Muskel-Defekt, weil andere Zellen, die einen anderen myogenen Regulationsfaktor (MyoD) produzierten, sich nun verstärkt teilten und das Fehlen der Myf5-Muskelzellen kompensierten.
Schlüsselfaktor Myogenin
Schlimm wirkt sich dagegen der Ausfall des Regulationsfaktors Myogenin aus. Wurde er durch Aktivierung des Apoptose-Gens ausgeschaltet, bewirkte dies spätestens am 19. Tag der Embryonalentwicklung den dauerhaften Verlust aller Skelettmuskelzellen.
Daraus folgert Thomas Braun, dass nicht alle am Muskelaufbau beteiligten Gene ersetzbar sind oder durch verstärkte Aktivitäten anderer Gene und Zellpopulationen kompensiert werden. Weiter läuft offenbar die Entwicklung des Skelettmuskels nicht sequenziell ab, das heißt als folgerichtige Entwicklung, sondern mehrere Gene und Zellpopulationen beteiligen sich gleichzeitig am komplexen Entstehungsprozess von Muskeln.
Nun wollen die Nauheimer Forscher herausfinden, welche Untergruppen von Muskelzellen aus der Embryonalentwicklung später bei der Regeneration nach Sportverletzungen und bei der Verhinderung von Muskelschwund im Alter eine Rolle spielen.