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Wie ich zum Doktor der Ufologie wurde

Von Rudolf Stumberger

Reflexionen
Auch Doktorhut und Talar sind -bei Aufpreis - mit im Angebot . . .
© Stumberger

Mit Schnäppchenjagd zur Urkunde: Im Internet gibt es zahlreiche Möglichkeiten, zu einem Titel zu kommen. Ein Selbstversuch.


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Eines Tages lag sie im Briefkasten: die Urkunde. Seitdem darf ich mich Doktor nennen. Doktor honoris causa, also ehrenhalber. Verliehen von der "California Church & University". Wenn ich den Titel in der Öffentlichkeit benutzen will, muss ich allerdings angeben, dass ich ein Doktor der "Ufology" bin. Ich hätte auch ein anderes Fachgebiet wählen können, Engelswissenschaft zum Beispiel. Oder den "Doctor h.c. of Divination", also für Prophezeiungen. Zur Auswahl standen außerdem Doktortitel für Feng Shui, für Parapsychologie, für Weltheilung und für erneuerbare Energien. Nur was der Doktor für Mixologie sein soll, habe ich nicht herausgefunden. Hat das irgendetwas mit Cocktails zu tun?

Ich jedenfalls habe mich für den Doktor der Ufologie entschieden. Das lag nahe, hatte ich doch schon in jungen Jahren Science-Fiction-Heftchen mit Geschichten über Außerirdische verschlungen. Ich kenne mich in diesem Fachgebiet also aus. Ich kann Filme mit Außerirdischen nennen, wie etwa "Der Tag, als die Erde stillstand", USA, 1951. Und ich habe wahrscheinlich alle Folgen der deutschen Fernsehserie "Raumpa-trouille Orion" aus den 1960er Jahren gesehen, mit Dietmar Schönherr als Major Cliff Allister McLane und Eva Pflug als Tamara Jagellovsk. Und jetzt bin ich also Doktor der Ufologie.

Accessoires zum Titel

Preislich gesehen war es ein Schnäppchen. Reduziert von 99 auf 35 Euro. "Sie sparen 65 Prozent", stand auf der Homepage von "Title Town", dem Aussteller der Urkunde. Ach ja, die Urkunde. DIN A4, etwas stärkerer Karton, blaue Schrift auf grauem Grund. Aufgedruckt sind zwei stilisierte Adler, die ein Wappen mit betenden Händen halten. Mein Name und mein Titel ist in schwarzer Frakturschrift eingetragen. Materialwert vielleicht zehn Cent.

Ich hätte mir auch noch ein paar Accessoires zum Doktortitel dazu bestellen können - ebenfalls sehr günstig: einen Doktorhut etwa, zusammen mit einem Talar im Angebot für nur 98 Euro. Auch ein echtes Wachssiegel auf der Urkunde wäre für 6,90 Euro zu haben gewesen ("Das originelle Wachs-Siegel aus dokumentenechtem Spezialwachs. Handgeprägt und fälschungssicher - So wird Ihr Titel zum absoluten Unikat"). Sogar ein QR-Code wäre möglich: "Jeder Betrachter Ihrer Doktorurkunde kann mit seinem Smartphone und einem QR Reader die Echtheit Ihres Titels sofort feststellen. Überzeugt auch Skeptiker von Echtheit und Authentizität." Preis: 21,50 Euro.

Ach ja, die Urkunde: DIN A4, etwas stärkerer Karton, blaue Schrift auf grauem Grund . . .
© Stumberger

Doch damit nicht genug: Ob mit Talar oder ohne - ich könne noch eine weitere Karriere machen. Für schlappe 55 Euro (statt 159 - "Sie sparen 63 %!") gibt es bei "Titel Town" auch den Professorentitel. Ehrenhalber, versteht sich. Und auch für Ufologie.

Doch jetzt ist es an der Zeit, sich diese Titel etwas näher anzusehen. Ein Begleitschreiben zur Doktor-Urkunde gibt Auskunft. Zunächst einmal wird konstatiert: "Nach wie vor ruft ein Doktortitel Respekt in der Gesellschaft hervor." Er verspreche Respekt auch im Berufsleben und stelle eine Sprosse auf der Karriereleiter dar.

Dann kommt allerdings ein kleiner Wehrmutstropfen: Bei dem von mir erstandenen Doktortitel handelt es sich um keinen akademischen Grad, sondern um einen kirchlichen Ehrentitel der California Church. Dazu sagt das Gesetz: "Unbefugt ist das Tragen, wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen kann, den Anschein der Berechtigung des Tragens zu erwecken." Und das ist strafbar. Um also nicht den Eindruck zu erwecken, dass ich mit der Urkunde auch einen richtigen Doktor-Titel mein eigen nenne, muss ich die kirchliche Ehrenbezeichnung in voller Länge tragen. Also: Dr. hc. of Ufology, CCU Institut (USA). In den Pass eintragen lassen geht auch nicht.

Hintergrund des kirchlichen Ehrentitels ist die Tatsache, dass in den USA jeder, der will, seine eigene Kirche gründen kann. Dem amerikanischen Staat ist es egal, was seine Bürger in religiöser Hinsicht treiben, staatliche Auflagen oder ein Verzeichnis der Freikirchen gibt es nicht. Die "California Church" mit Sitz in Tampa/Florida hat eigentlich nur einen Grundsatz: "Jegliche Art von Lebewesen sollte durch jedes Mitglied unserer Kirche respektiert, akzeptiert und geschützt werden." Glauben kann man in dieser "Kirche" dann übrigens, was man will: "Wir glauben an die Evolu-
tion und schreiben daher Niemandem eine Gottheit o.Ä. vor."

Protziger Rahmen

An eines glaubt diese Kirche aber wohl schon: an die Eitelkeit der Menschen - und an die Möglichkeit, mit einem bedruckten Papier auf die Schnelle 35 Euro zu verdienen. Immerhin bezeichnet sich "Title Town", die Website, welche die Titel vertreibt, als "Europas Nr. 1" beim (Ver-)Kauf von Doktor- und weiteren Ehrentiteln. Als Adresse ist Emmerthal angegeben, ein Ort in Niedersachsen.

Warum schmücken sich Menschen mit solch einem Stück Papier? Vielleicht ist es der Schnäppchen-Instinkt, für ein paar Euro ein Titel-Imitat zu erhalten, dessen Originalausführung viel Zeit und großen Einsatz erfordert. Oder es wirkt die Strahlkraft von Institutionen, so dubios sie auch sein mögen. Eines kann man den Titel-Händlern allerdings nicht vorwerfen: Ihre Kunden im Unklaren zu lassen.

So heißt es im Begleitschreiben zur Doktorurkunde: "Wir möchten, dass Sie an unseren Ehrendoktortiteln Spaß haben und sich freuen. Niemand hat etwas dagegen, wenn Sie sich die Ernennungsurkunde in einem protzigen Rahmen in ihr Wohnzimmer hängen." Und weiter heißt es: "Aber wir gehen davon aus, dass Sie natürlich einsehen, dass der Spaß aufhört, wenn Sie versuchen (. . .), sich Vorteile zu erschleichen."

Die Urkunde hängt jetzt an der Wand - und es ist wahrlich ein gutes Gefühl. Vor allem auch deshalb, da all der Unbill, der mit einer akademischen Doktorwürde verbunden ist, umschifft wurde. Das gesamte Studium zum Beispiel, mit anschließender mühevoller Suche nach einem Thema für die Promotion und die langwierige Suche nach einem Doktorvater, der bereit ist, sich des Themas und des Promovierenden anzunehmen. Das dauert, ebenso wie das Wälzen und Durchstöbern all jener Bücher, die für ein derartiges Vorhaben gelesen sein wollen.

Dann kommt auch noch die Promotion, die Defensio, also Verteidigung der (meist gesellschaftlich wenig relevanten) Thesen gegenüber dem Prüfergremium, was den Blutdruck in die Höhe schießen lässt. Hat man dann all diese Klippen überwunden, ist längst nicht Ruh’ im akademischen Titelkistchen. Denn seit rund zehn Jahren muss man den Doktortitel auch mit Zähnen und Klauen verteidigen, jedenfalls, wenn man auf der politischen Bühne steht.

Regionaler Doktortitel

Gnadenlose Plagiatjäger sind hinter einem her - und das bisher prominenteste Opfer ist wohl der ehemalige deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Er hatte in seiner Disseretation bekanntlich abgeschrieben. Heute trägt der ehemalige Polit-Superstar einen Bart und macht irgendwas mit "Me-dien".

Ein weiteres Beispiel für klaffende Abgründe rund um eine Promotion ist auch Guttenbergs Parteikollege, CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer (die Häufung von bayerischen Politikern ist vom Autor übrigens nicht beabsichtigt). Auch Herr Scheuer ist Träger eines Doktortitels, aber eines kleinen, der nur in Prag und Berlin gilt. Der Generalsekretär hat sich dann nach kurzem Scharmützel pragmatisch von seinem regionalen Doktortitel getrennt, beziehungsweise führt er in außerhalb der oben genannten Städte nicht mehr.

Diese Probleme habe ich mit meinem Doktor der Ufologie nicht: Wo keine Doktorarbeit, da auch kein Plagiat. Die Identität des Nichts mit dem Nichts ist nicht sanktionswürdig. Wahrscheinlich könnte ich damit sogar höchste Weihen erringen . . .

Meine beruflichen Pläne mit dem neuen Titel sind aber weitaus bescheidener. Ich werde im nächsten Frühjahr eine Reise nach Nevada in den USA unternehmen. Rund um das dortige militärische Sperrgebiet "Area 51" sind seit den 1950er Jahren jede Menge "Unbekannnter Flugobjekte" gesehen worden. In New Mexiko gibt es in dem Städtchen Roswell sogar ein UFO-Museum. Wo also wäre man als "Doktor der Ufologie" besser aufgehoben?

Rudolf Stumberger, geboren 1956, arbeitet als Journalist und freiberuflicher Dozent für Soziologie und Wirtschaft in München.