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Wie Landflucht und Städtewachstum unser Leben ändern

Von Robert Schediwy

Politik

Alpbacher Baukulturgespräche 2013 über schrumpfende und wachsende Städte.


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Wien/Alpbach. Die Alpbacher Baukulturgespräche 2013 nehmen sich eines ebenso aktuellen wie historisch bedeutsamen Themas an: Es geht um das Wachstum und das Schrumpfen der Städte. Landflucht und ökonomische und politische Konjunkturen führen zu Wachstum, wirtschaftlicher und politischer Niedergang zu Entvölkerung. Für beides gibt es heute zahlreiche Beispiele: Alte Industriestädte wie Duisburg, Manchester oder Detroit verlieren Arbeitsplätze und Einwohner. Andererseits zeigen die Megacities der Dritten Welt immer noch ungebremstes Wachstum.

Das Thema wird am heute und morgen in Alpbach mit prominenten internationalen Vortragenden behandelt. Anne Power, Professorin für Sozialpolitik an der London School of Economics, und Pierre Bélanger, Associate Professor für Landschaftsarchitektur an der Harvard University, vertreten die akademische Sicht. Yvette Masson-Zanussi vom französischen Ministerium für Kultur und Kommunikation und Wiens Tourismusdirektor Norbert Kettner werden sich mit dem urbanistischen Aspekt des Städtetourismus befassen. Die Architekturkritikerin Cathy Lang Ho bringt ihre Sicht partizipatorischer Planungschancen in der Wachstumskrise ein.

Wien hat alles durchgemacht

Wien hat das alles durchgemacht. Nach dem glücklichen Ausgang der Türkenbelagerung entstand der barocke Kranz der vorstädtischen Gartenschlösser, der im 19. Jahrhundert aufgrund des wachsenden Bevölkerungsdrucks weitgehend parzelliert wurde. In der zweiten Jahrhunderthälfte sprengte die explosiv wachsende Stadt ihr Festungskorsett, planerische Kraftanstrengung ermöglichte das Gesamtkunstwerk Ringstraße - aber Zinskasernenelend und massiver Verlust an Grünflächen zeigten die negative Seite des gründerzeitlichen Wachstumsbooms.

Um 1900 plante man für ein Wien mit vier Millionen Einwohnern, aber der Ausgang des Ersten Weltkriegs machte aus der weltstädtischen Metropole den ungeliebten "Wasserkopf" eines Kleinstaates. Die Schrumpfungs- und Stagnationsperiode dauerte etwa sieben Jahrzehnte - sie hatte durchaus auch positive Seiten: Die Gemeindebauten des "Roten Wien" konnten viel großzügiger mit dem Stadtraum umgehen, da der Druck der fieberhaften Bodenspekulation in schrumpfenden Städten kaum existiert und eher neue Brachflächen entstehen.

Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs und den Zerfallskriegen im ehemaligen Jugoslawien wächst die Stadt aber wieder. Auch die Osterweiterung der EU hat dazu beigetragen, dass Wien erneut zum Anziehungspunkt für Mittel- und Osteuropa wurde. Nicht ohne Stolz wurde jüngst bekanntgegeben, Wien habe Hamburg den Rang als zweitgrößte deutschsprachige Stadt abgelaufen. Die Dynamik des durch Zuwanderung stimulierten Wachstums ist freilich nicht allen recht, auch die Touristen schätzen Städte, die, durch längere Stagnationsphasen gegangen sind.