Seit kurzer Zeit verfügt Wien über Europas modernste Rettungs-Einsatzzentrale. Mit der technischen Aufrüstung einher ging die personelle - bislang allerdings rein qualitativ und "leider nicht die Anzahl unserer MitarbeiterInnen betreffend", seufzt Reinhard Malzer, Ausbildungsleiter der Wiener Rettung, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Die Ausbildung der Lebensretter reicht nun vom "Rettungssanitäter" bis zur "Allgemeinen Notfallkompetenz", die auch die Verabreichung von Arzneimitteln sowie Infusionen ermöglicht.
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Im Jahr 2000 legten die Fahrzeuge der Wiener Rettung bei 136.980 Einsätzen insgesamt 1,647.083 km zurück. Heuer scheint es "ein eher starkes Jahr" zu werden: Bis jetzt sind rund 3.000 Ausfahrten mehr zu verzeichnen als im Vergleichszeitraum vergangener Jahre, erzählt ein freundlicher Beamter beim Empfang in der Wiener Rettungs-Zentrale in der Radetzkystraße im 3. Bezirk. Bei der Wiener Rettung sind nur hauptberufliche MitarbeiterInnen angestellt, rund 130 sind ständig dienstbereit.
Lebensretter-"Lehrlinge"
Insgesamt arbeiten 649 MitarbeiterInnen, darunter 68 Ärzte und 385 Sanitäter, an der Verwaltung und Abwicklung der Einsätze. Gearbeitet wird im 24-stündigen Wechsel- bzw. im 13-stündigen Tagdienst. Wer EU-Staatsbürger und über 18 Jahre alt ist, den Präsenz- bzw. Zivildienst geleistet hat, über einen C-Führerschein verfügt und - nicht zuletzt - geistig, gesundheitlich und körperlich geeignet ist, kann sich bei der Wiener Rettung bewerben.
Den positiven Aufnahmetest vorausgesetzt, müssen die "Lebensretter-Lehrlinge" auch damit rechnen, "bei der Fahrzeugwäsche Hand anzulegen", dämpft Malzer allzu heldenhafte Erwartungen a la TV-"Medicopter". Zwei Mal pro Jahr starten die Ausbildungsblöcke zum Rettungshelfer. 160 Stunden umfasst der "Sanitätsgehilfenkurs", gelernt werden muss Erste Hilfe - auch für Geburten - und Verbandslehre, einfache Instrumenten- und Gerätelehre, Grundzüge der Hygiene und Infektionslehre, des Katastropheneinsatzes und Strahlenschutzes. Nach Ablegen der staatlichen Sanitätsgehilfenprüfung folgt die praktische Umsetzung unter Aufsicht erfahrener Sanitäter.
Neues Ausbildungsgesetz
Der frisch gebackene Sanitätsgehilfe muss jedenfalls belastbar und konfliktfähig sein, dabei den guten Umgangston nicht vergessen - und sollte nicht stur auf Einhaltung fixer Arbeitszeiten beharren. Acht Stunden Psychologie gehören zur Ausbildung: "In Kleingruppen wird versucht, Methoden der Stress- und Schockbewältigung zu vermitteln", sagt Malzer. Etwas wenig, möchte man meinen, doch im Krisenfall "steht das Psychologen- und Sozialarbeiter-Team der Akut Betreuung Wien bereit". Im Juli 2002 tritt das neue Sanitäterausbildungsgesetz in Kraft. Dann heißen die Sanitätsgehilfen Rettungssanitäter. Dazu kommen - je nach absolviertem Weiterbildungsmodul - Notfallsanitäter mit allgemeiner oder erweiteter (medizinischer) Kompetenz.
Von der Leitstelle der Wiener Rettung bearbeitet werden alle über den Notruf 144 einlangenden Hilferufe. "Am Disponent in der Leitstelle hängt sehr viel", erklärt Malzer. Der Helfer am Telefon muss rasch die wichtigsten Informationen abfragen - in Zukunft soll dies nach einem US-standardisiertem System erfolgen - und entscheiden, ob ein Arzt mitfährt. "Da geht es in Sekunden um richtige Entscheidungen", sagt Malzer: "Etwa 600 Reanimationen führen wir im Jahr durch, beim plötzlichen Herzstillstand sinkt die Chance auf Wiederbelebung des Patienten pro Minute um 10%".
Erste Hilfe betrifft jeden
Alle Einsatzfahrzeuge sind mit Defibrilatoren ausgestattet, der Elektroschock zur Wiederherstellung des Herzschlags muss möglichst rasch verabreicht werden können. In Medizinerkreisen heftig diskutiert ist dementsprechend die Installation "öffentlicher" Defibrilatoren, mit Zugang für jedermann zur Notfallhilfestellung. "Erste Hilfe geht jeden etwas an", sagt Malzer, "im Notfall kann die Druckmassage bis zum Eintreffen des Rettungsteams Leben retten". Erste Hilfe-Kurse bietet auch die Wiener Rettung, zum Einstieg gibt's Notfall-Tipps im Internet.
Malzer ist überzeugter Notfallmediziner - nach seinem Turnus im Wilhelminenspital hat er drei Jahre bei der Rettung gearbeitet und danach sechs Jahre in der Notaufnahme des AKH, "um auch die klinische Seite der Notfallmedizin kennen zu lernen". Gleichzeitig bekennt er sich zur oft kritisierten Schulmedizin: "Wenn ein Patient ohne Herzschlag daliegt, dann hilft keine Homöopathie".
Training in "Traumastraße"
Damit auch die SanitäterInnen dem Wettlauf ums Leben gewachsen sind, müssen sie in der "Traumastraße" in der Rettungs-Zentrale Bergesituationen trainieren. Gerhard Reif, Stationsführer für den Schulbereich, zeigt stolz die neueste Errungenschaft: Im Überschlagsimulator kann unter erschwerten Bedingungen via Beregnungsanlage und Nebelmaschine die Bergung aus einem auf dem Dach liegenden Kraftfahrzeug geübt werden.
Der Trainingsbereich bietet aber auch ein enges Badezimmer und eine schmale, gewinkelte Treppe, ein nachgestelltes "Durchschnitts-Wohnzimmer" und eine kleine Küche, ein Baugerüst inklusive offener Stromkabel und eine verwilderte Parklandschaft - viele Hindernisse können eine rasche und sichere Bergung erschweren. Auch im Keller des neuen Gebäudes in der Radetzkystraße untergebracht: Die "Kraftkammer", ein kleines Fitnessstudio mit Trainingsgeräten. "Die Sanitäter müssen auch gewappnet sein, einen Patienten mit über 100 kg Gewicht sicher bergen zu können", erklärt Reif.
Rund um die Uhr
In Erfüllung entsprechender Landesgesetze muss die Wiener Rettung 365 Tage im Jahr, 24 Stunden pro Tag einsatzbereit sein. Die Rettungseinsätze werden nach dem Notarzteinsatzfahrzeugsystem (NEF) von der Wiener Rettungsgemeinschaft abgewickelt, zu dem neben den Fahrzeugen der Rettung - acht Notarztwagen, sechs Notarzteinsatzfahrzeuge, 28 Rettungswagen, ein Krankentransportwagen, ein Notarzthubschrauber, sechs Katastrophenzug-Fahrzeuge - auch der Katastrophenzug der Stadt Wien sowie jeweils ein Notarzt- und ein Rettungswagen von Rotem Kreuz und Arbeiter Samariter Bund sowie ein Rettungswagen der Johanniter-Unfall-Hilfe zählen.
"Wichtig ist rasche Hilfe, zum Einsatz kommt das am besten geeignete Team, das in der nächsten Nähe ist", erklärt Malzer. Das NEF-System erlaubt, den Notarzt ziel- und bedarfsgerecht einzusetzen. Nicht immer muss ein Arzt mitfahren - für Transportbegleitungen ins Krankenhaus etwa wird er nicht immer gebraucht.
Auch Katastropheneinsätze
Benötigt ein Patient, der von einem praktischen Arzt mit Spitalszettel in ein Krankenhaus eingewiesen wird, zusätzlich ein Spitalsbett, so kümmert sich der jeweilige Krankentransportdienst über die Bettenzentrale der Wiener Rettung auch darum. Zu den Aufgaben der Rettung gehört aber auch der Katastropheneinsatz. 1991 wurde für solche Einsätze der Katastrophenzug (K-Zug) eingerichtet. Er ist konzipiert für eine große Zahl von Unfallopfern, für besondere Verletzungen, erhöhten Personal- und Materialbedarf sowie einer im Vergleich zu Routine-Einsätzen wesentlich längeren Einsatzdauer vor Ort.
Wer sich über Gründung und Geschichte der Wiener Rettung näher informieren will, der kann sich in der Gilmgasse 18 im 17. Bezirk das 1991 gegründete Rettungsmuseum ansehen. Der Eintritt ist frei - allerdings muss man sich telefonisch für einen Besuch und die Führung anmelden (Tel.: 711 19 DW 2025, Hr. Erhart).
Wiener Rettung, Zentrale: 1030 Wien, Radetzkystraße 1, Tel.: 711 19-0, http://www.magwien.gv.at
Österreichische Wasserrrettung: http://hq.owr.org - Ärzteflugambulanz: http://www.oafa.com - Österreichische Suchhundestaffel: http://www.ohu-suchhundestaffel.at