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Wie man aus CO 2 Kraftwerke baut

Von Harald Waiglein

Wirtschaft

Größte Baustelle Osteuropas. | Völlig neues Konzept der Finanzierung. | Von heimischen Unternehmen zu wenig genutzt. | Tsankov Kamak. Wer das österreichisch-bulgarische Vorzeigeprojekt Tsankov Kamak besichtigen will, hat einen eher beschwerlichen Weg vor sich. Man muss von der bulgarischen Stadt Plovdiv in Richtung Süden fahren, in den Gebirgszug der Rhodopen. Nach etwa 60 Kilometern Fahrt mit dem Geländewagen über eine schmale Straße im Vatscha-Tal, die sich an Steilhängen entlang schlängelt und teilweise von Steinschlägen und Überschwemmungen weggerissen wurde, ist man am Ziel.


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Die Baustelle in Tsankov Kamak ist die derzeit größte in Osteuropa. Ein österreichisches Konsortium bestehend aus Alpine Mayreder, Verbundplan und VA Tech Hydro errichtet hier ein Wasserkraftwerk. Der Fluss Vatscha soll hinter einer 125 Meter hohen Talsperre gestaut werden. Über zwei Turbinen soll der Wasserdruck dann zur Erzeugung von 185 Gigawattstunden Elektrizität pro Jahr verwendet werden - mehr, als die obere Staustufe des österreichischen Kraftwerkes Kaprun im Durchschnitt pro Jahr erzeugt.

Die Bauarbeiten haben 2004 begonnen, 2009 sollen sie abgeschlossen sein. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 216 Mio. Euro. 41 Mio. davon werden für einen Tunnel benötigt. Denn die Straße von Plovdiv nach Devin, jenem Ort, wo das bekannteste bulgarische Mineralwasser herkommt, wird vom Stausee überschwemmt werden. Die Straße muss deshalb verlegt werden. Dafür ist unter anderem ein 900 Meter langer Gebirgstunnel erforderlich, mit dessen Bau gerade begonnen wurde.

Finanzierung über CO 2 -Zertifikate

Was das Projekt Tsankov Kamak bisher einzigartig macht, ist seine Finanzierung. Denn eigentlich würde sich der Kraftwerksbau nicht rentieren. Die Finanzierungsgesellschaft der VA Tech hatte allerdings eine innovative Idee. Im Zusammenhang mit den Schadstoff-Reduktionen, zu denen sich Österreich im Kyoto-Protokoll verpflichtet hat, sind auch indirekte Einsparungen über das Ausland möglich. Konkret kann Österreich für einen Teil seiner Verpflichtungen von anderen Ländern Verschmutzungsrechte in Form von CO 2 -Zertifikaten kaufen, anstatt den CO 2 -Ausstoß im Inland zu verringern. Diesen Kauf machte sich das österreichische Konsortium bei der Finanzierung des Kraftwerksbaus zunutze.

Österreich kauft Zertifikate um 36 Mio.

Das Programm zum Handel mit CO 2 -Zertifikaten heißt JI/CDM (Joint Implementation/Clean Development Mechanism). Im Rahmen des österreichischen JI/CDM-Programmes werden ab 2006 jedes Jahr 36 Mio. Euro für den Ankauf von CO2-Zertifikaten aus dem Ausland aufgewendet. Dieser Ankauf bewirkt, dass Österreich beim CO 2 -Ausstoß eine Reduktion um 7,5 Mio. Tonnen angerechnet wird. Insgesamt muss Österreich bis 2012 seinen jährlichen CO 2 -Emissionen um 18 Mio. Tonnen verringern von derzeit insgesamt 86 auf 68 Mio. Tonnen. Die Finanzierungsgesellschaft der VA Tech kam nun auf die Idee, diesen Zertifikate-Kauf durch die Republik Österreich zur Finanzierung des Kraftwerks Tsankov Kamak heranzuziehen.

Konkret funktioniert das so: Durch den Bau des Wasserkraftwerkes werden in Bulgarien Zertifikate für 1 Million Tonnen CO 2 verfügbar. Die Republik Österreich kauft diese. Der Kaufpreis fließt in den Kraftwerksbau. Schätzungen zufolge können so von den 216 Mio. Euro Baukosten 25 bis 30 Mio. durch CO 2 -Zertifikate abgedeckt werden.

Else Schweinzer, Umweltexpertin in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) meint, dass diese Finanzierungsmöglichkeit von österreichischen Firmen noch viel zu wenig wahrgenommen wird: "Auch österreichische Lieferanten für Kraftwerksprojekte im Ausland könnten das ausnutzen. Mit diesem Finanzierungsbonus könnten sie bei Ausschreibungen punkten." Mit anderen Worten: man muss nicht immer gleich selbst ein Kraftwerk bauen, um vom JI/CDM-Programm zu profitieren.

Österreich müsse ohnehin jedes Jahr um 36 Mio. Euro Zertifikate im Ausland einkaufen. Besser wäre es, wenn dieser Betrag über Umwege wieder österreichischen Firmen zugute käme, meint Schweinzer.