Die neueste Apple-Erfindung kommt auf vielen Wegen nach Europa. Die Verlage sind uneins, was sie damit anfangen sollen, aber experimentierfreudig.
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"Wir werden von der Technik laufend überholt", philosophiert Oliver Voigt, der Chef des bunten News-Verlages in Wien. "Das iPad wird die nächste Revolution in diesem Geschäft. Das ist ein Momentum."
Gewiss, aber was genau ist in der digitalen Welt ein Momentum, außer dass alles gleich vorbei sein kann? In deutschen und österreichischen Verlagshäusern brüten die Medienmanager. Steckt Zukunft in diesem viereckigen, Din-A4-großen Bildschirm, der auch Zeitungsseiten zum Lesen und Umblättern anzeigen kann?
Ein kleiner Exkurs dazu: Medienmanager kümmern sich heutzutage in erster Linie um die Frage, wie sie endlich und fast schon zu spät Geld für das einnehmen werden, was von den teuer produzierten Inhalten ihrer Zeitungen auf Bildschirme gelangt. Das ist die Frage von Sein oder Nichtsein - entweder sie finden eine Lösung, oder die Leser, vor allem die jungen, surfen der gedruckten Zeitung davon.
Die deutsche "Welt" hat schon zugeschlagen. "Das iPad startet eine neue Ära", jubelte Springer-Chef Mathias Döpfner in einer amerikanischen Talkshow und forderte die Verleger auf, dem Apple-Chef Steve Jobs für die "Rettung der Verlagsindustrie" zu danken. Auf der Internetseite der "Welt" (www.welt.de) läuft allerdings parallel zur Begeisterung ein feindlicher Werbespot, der die Nachteile des Apple-Verkaufsschlagers vorführt: nur ein Apple-Anschluss, kein Multitasking, reduzierte Tastatur mit fehlenden Umlauten, zum Bildschirm schlecht passende Filmformate - und überhaupt: ein geschlossenes (Apple-)System. Steve Jobs will das Geld selber.
Knifflig also. In solchen Fällen gibt es eine allgemein gültige Antwort: Der Markt wird entscheiden. Und siehe da, auch hierzulande setzt der Markt bereits den Hebel an. Die Boulevard-Zeitung "Österreich", die seit ihrer Gründung im Jahr 2006 manche Marktgesetze zu unterlaufen sucht, bietet "iPad für jeden" an. "Österreich"-Chef Wolfgang Fellner weiß bereits, dass es sich um ein "geniales iPad" handelt (Nichtgeniales hat Fellner noch nie verteilt). Das Gerät wird bei ihm keineswegs gratis sein, sondern 399 Euro plus monatlich 17,90 Euro für die Zeitung "Österreich" kosten. Lesen muss man sie nicht, man kann das wertvolle Gerät darin auch einwickeln.
Die "Kronen Zeitung" wirkt im Vergleich zu dem Aufwand etwas abgehängt. Sie verlost zwei iPads - "eigens aus New York eingeflogen". Irgendwie passt die Fellner-Aktion zum überhitzten Innovationsklima: Erst kaufen, was die Hard- und Software bietet, dann erst ausprobieren, ob man es überhaupt braucht. So wird es wohl mit dem Tablet-Computer gehen. Entweder er und zu erwartende Konkurrenzprodukte setzen sich durch - oder sie verstauben in der Kramlade, sobald der Reiz des Neuen vorbei ist. Die Computerfreaks kennen das längst und wissen, dass sie jene Versuchsmäuse bilden, an denen die Hersteller testen, was ein großer Wurf ist und was nicht.
Übrigens: Mein neuer Laptop (kein iPad, Gott bewahre) mit neuer Windows-Software gibt sich menschlicher als der alte, wenn er Fehler meldet. Das kryptische "Fehler 488 aufgetreten" ist Vergangenheit, vorgestern hat er mir verständlich erklärt: "Die Anwendung reagiert nicht. Das Programm reagiert möglicherweise wieder, wenn Sie warten. Möchten Sie diesen Prozess beenden?"
Ich habe gewartet. Lange. Dann habe ich ihn abgewürgt.
Der Autor ist Sprecher der Initiative "Qualität im Journalismus"; zuvor "Wirtschaftsblatt", "Presse" und "Salzburger Nachrichten".