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Wie man den Euro nicht rettet

Von Christian Ortner

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Christian Ortner.

Der neue Fiskalpakt der EU wird gegen staatliche Schuldenexzesse ungefähr so wirksam sein wie Kamillentee gegen Heroin-Abhängigkeit.


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Eine "wirkliche Meisterleistung" nannte Angela Merkel jüngst jenen Fiskalpakt von 25 EU-Staaten, mit dessen Hilfe staatliche Schuldenexzesse in der Europäischen Union künftig unterbunden werden sollen und wofür ein dichtes administratives Regime von Verboten, Überprüfungen und Sanktionen vorgesehen ist. Damit, so das hehre Ziel des Paktes, soll die Kreditwürdigkeit Europas - und in der Folge auch das Vertrauen in den Euro - wiederhergestellt werden.

Bedauerlicherweise ist der Fiskalpakt bei näherer Betrachtung aber alles andere als ein Meisterwerk. Denn von der Grundidee her ist er ähnlich konzipiert wie jener zahnlose Maastricht-Vertrag, mit dem die Staatsschulden zum Start des Euro mit 60 Prozent der Wirtschaftsleistung und das Defizit mit 3 Prozent limitiert werden sollten: Alle geloben, sich daran zu halten und harte Sanktionen zu akzeptieren, aber am Ende hält sich niemand dran, und Sanktionen gibt’s auch keine. Ein Meisterwerk war das, wie wir heute wissen, nicht unbedingt.

Warum jedoch jetzt plötzlich funktionieren soll, was schon einmal gescheitert ist, vermag auch die deutsche Kanzlerin nicht zu erklären. Möglicherweise, weil es nicht zu erklären ist: Einem Pleite-Staat Milliardenstrafen aufzubrummen macht unter dem Regime des Fiskalpaktes genauso wenig Lack wie unter dem Maastricht-Regime. Und wie Frankreich und Deutschland den Maastricht-Vertrag bei erster Gelegenheit (2004) für Altpapier erklärten, werden sie oder andere Staaten auch den "Fiskalpakt" zur Makulatur machen, so ihnen dies politisch opportun erscheint.

Dass es der deutschen Kanzlerin nicht einmal gelungen ist, eine Schuldenbremse im Verfassungsrang nach deutschem Vorbild für alle Staaten des Fiskalpaktes obligatorisch zu machen, deutet ebenfalls nicht auf ein Meisterwerk hin, sondern eher auf einen mauen Kompromiss.

Denn das wird zur Folge haben, dass nationale Regierungen ihre jeweiligen Schuldenbremsen mit einfacher Mehrheit entsorgen können: In ein Auto mit derart unverlässlichen Bremsen würde man wohl eher nicht einsteigen wollen.

Damit ist jener Pakt, der das Überleben des Euro sichern soll, in Wahrheit eine Geisel nationaler politischer Opportunismen geworden. Francois Hollande, Sozialist und allen Umfragen zufolge aussichtsreichster Kandidat im heurigen Rennen um das Amt des französischen Staatspräsidenten, hat bereits annonciert, dass er den Fiskalpakt nicht akzeptieren wird. Das könnte durchaus Schule machen: Gegen "das deutsche Spardiktat" und "den Kaputtspar-Fiskalpakt" zu wettern, könnte der Modetrend für Europas Populisten in der Saison 2012/13 werden. Dass einige jener Regierungen, die sich jetzt noch zähneknirschend der Idee des Fiskalpaktes verbunden fühlen, in der Folge abgewählt werden, ist absehbar.

Nicht absehbar ist hingegen, warum sich die skeptischen Kreditgeber der europäischen Schulden-Junkies von einer derart wackeligen Konstruktion wie diesem Pakt auch nur im Geringsten beeindrucken lassen sollten: Eine wirkliche Meisterleistung sieht nämlich anders aus.

ortner@wienerzeitung.at