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Italien verlangt, seine Staatsschulden einfach zu streichen - ein perfekter Weg ins Desaster.
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Weil die einzigen Zahlen, auf die ganz Europa jeden Tag gebannt schaut, die der Neuansteckungen, der Verstorbenen und der Inzidenz des Coronavirus sind, blieb ein ganz anderes Dashboard weitgehend vom Interesse einer breiteren Öffentlichkeit verschont: jenes, das zeigt, wie die EZB heuer mit der Begründung "Corona" Geld an die Staaten der Eurozone verborgt. Unfassbare 1,35 Billionen Euro gibt sie via Staatsanleihen, die sie aufkauft, an die Euroländer - Geld, das zu einem erheblichen Teil den ökonomischen Problembären Spanien, Frankreich und Italien zugutekommt.
Angesichts derartiger Beträge, die sich ja zu den schon bestehenden gewaltigen Schuldenbergen gesellen, stellt sich auch ökonomischen Frohnaturen die Frage, ob diese Schulden je korrekt zurückgezahlt werden oder nicht. Nicht zuletzt deshalb, weil die Empfänger dieses wohltätigen Billionenkredites, kaum dass das Geld auf ihren Konten gelandet ist, selbst erhebliche Zweifel an ihrer Bereitschaft wecken, in Zukunft ihren Verpflichtungen nachzukommen. So forderte etwa der in Rom höchst einflussreiche Staatssekretär Riccardo Fraccaro, ein wichtiger Berater von Premier Giuseppe Conte, die EZB möge doch bitte jene Schuldscheine, die sie heuer von Italien erworben hat, einfach vernichten und somit schlicht und einfach auf die Rückzahlung der Milliarden verzichten. "Die EZB hat kein Schuldenproblem - sie kann so viel Geld drucken, wie sie will", gab Fraccaro der Fachwelt einen interessanten Blick auf sein Verständnis einer seriösen Finanzgebarung.
Die Forderung eines Regierungsmitgliedes, die Verbindlichkeiten eines EU-Staates bei der EZB einfach für null und nichtig zu erklären, war zwar eine Premiere - aber wir werden das in den kommenden Jahren sicher öfter und von allen möglichen anderen Staaten hören. Klingt für den Laien ja auch irgendwie cool: Ein kleiner elektronischer Buchungsvorgang in Frankfurt, und schwups ist der Schuldenstand Italiens, Frankreichs oder Spaniens wieder im halbwegs grünen Bereich.
Was wie ein Königsweg erscheinen mag, ist freilich in Wirklichkeit eine Straße direkt in den Abgrund. Denn das Streichen der Schulden wäre nichts anderes als die direkte Finanzierung des Staats mittels Notenpresse. Und das ist in den vergangenen paar hundert Jahren nicht ein einziges Mal gut gegangen. In Deutschland und Österreich hat wohl kaum jemand einen Vorfahren, der nicht unter der Hyperinflation litt, die in den 1920ern genau diese Geldpolitik verursachte.
Aber selbst wenn - was sehr unwahrscheinlich ist - keine Hyperinflation daraus entstünde, wäre der Schuldenschnitt eine Art russisches Roulette der Geldpolitik. Denn die privaten Gläubiger der Euroländer hätten wohl mit Recht zu befürchten, dass auch ihnen ein "Haircut", also ein Schuldenschnitt, droht. Was letztlich den Euro selbst in seiner Existenz gefährden würde. Selbst der französische Finanzminister Bruno Le Maire, ein potenzieller Profiteur eines derartigen Schnittes, hat den Vorschlag aus Rom eher dry kommentiert: "Schulden werden zurückgezahlt, das ist das Prinzip von Schulden." Alles andere endet im Desaster.