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Zu zahm, zu berechenbar, zu saturiert: Um diese Attribute drehte sich die Diskussion um die Verfassung der Grünen nach der jüngsten Wahlenttäuschung. Wie auf Kommando wurde diese Zustandsbeschreibung am Mittwochabend auf den Kopf gestellt - denn in der Josefstadt feierten die einstigen "grünen Tugenden" fröhliche Urständ.
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Da wurde - wie in einem Großteil der Donnerstag-Ausgabe berichtet - tatsächlich der amtierende Bezirksvorsteher Heribert Rahdjian (74) von der eigenen Bezirkspartei abgeschossen. Zur Erinnerung: Rahdjian war es, der 2005 sensationell den bürgerlichen Bezirk hauchdünn erobert und als Bezirkschef eine solide Leistung geboten hatte - so solide, dass die Chancen für eine Wiederwahl gut standen. Rahdjian kennt man in der Josefstadt eben, war er doch schon als einer von Buseks bunten Vögeln politisch aktiv. Seinen eilig installierten Nachfolger, der die Kampfabstimmung um den ersten Listenplatz klar für sich entschieden hat, kennt hingegen kaum jemand: Alexander Spritzendorfer, 47-jähriger Ex-Kulturmanager und für die Partei in Niederösterreich und Kärnten tätig, soll nun die Herkulesaufgabe erfüllen und die Josefstadt halten.
Dafür bräuchte es am 10. Oktober aber ein Wunder, denn der Bezirk - neben Neubau der einzig grün-regierte - scheint jetzt schon verloren. Zum einen haben ÖVP und SPÖ die Josefstadt längst zur Chefsache erklärt und versucht, zugkräftige Kandidaten mit viel Werbeaufwand zu etablieren. Zum anderen werden sich viele Josefstädter - großteils immer noch bürgerlich angehaucht - davor hüten, eine unberechenbare Truppe aufs Schild zu heben. Denn selbst wenn Spritzendorfer kein linker "Fundi" ist - die, die ihn gewählt haben und Rahdjian abgesägt haben, sind es.
Angezettelt hat den Putsch Rahdjians interne Rivalin und Vize-Bezirkschefin Doris Müller, die als grüne Berufsfunktionärin und ehemalige Studenten-Aktivistin die Bezirkspartei umdrehen konnte. Entgegen ihrer Ansage, dass gewiss alle Rahdjian als Bezirkschef haben wollen, machte sie massiv Stimmung für seinen Gegenkandidaten - und sich selber. Rahdjian freilich hat im Vorfeld hoch gepokert - und nun alles verloren. Dass er seine Wiederkandidatur offen mit dem Abgang seiner Widersacherin Müller verknüpft hat, war mit grüner Doktrin nicht vereinbar. Daher wurde er - aus subjektiver Sicht - zurecht abgestraft, objektiv gesehen wurde damit aber der gesamten Landespartei Schaden zugefügt.
Und daher muss sich auch Parteichefin Maria Vassilakou den Vorwurf gefallen lassen, den Konflikt nicht entschärft zu haben. Selbst wenn beteuert wird, dass Rahdjians Sturheit jede Lösung torpediert hätte, steht am Ende auch eine machtlos agierende Parteichefin. Und die Erinnerung an alle, die diese grüne Unberechenbarkeit zuletzt herbeigesehnt haben: In den wilden Jahren grundelte die Partei in Wien bei 6bis 7 Prozent, zuletzt waren es 15 Prozent.