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Wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es auch zurück

Von Sissi Eigruber

Europaarchiv

Die Übergangsfristen für Arbeitnehmer aus den neuen EU-Ländern haben in den vergangenen Tagen die Wogen hochgehen lassen. Manche "neue" EU-Länder (ab 1. Mai) haben den "alten" die Rute ins Fenster gestellt, denn auch sie können laut EU-Vertrag "gleichwertige Maßnahmen" setzen. Einschränkungen gibt es vorerst jedenfalls für den Erwerb von Liegenschaften, Immobilien und landwirtschaftlichen Grundstücken. Die "Wiener Zeitung" hat die Übergangsregelungen jenseits der österreichischen Grenze unter die Lupe genommen.


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Sieben Jahre könnte es dauern, bis Arbeitnehmer aus Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Slowenien wie andere EU-Bürger problemlos in Österreich arbeiten können, wenn Österreich die möglichen Übergangsfristen voll ausnutzt. Unsere Nachbarn empfinden dies als zu lange. Sie insistieren darauf, dass Österreich den Arbeitsmarkt bereits früher gänzlich liberalisiert.

Übergangsregelungen für den Arbeitsmarkt

Zusätzliche Unruhe in die Diskussion um die Übergangsfristen - die auch in einigen anderen "alten" EU-Ländern gelten - brachte der vergangene Woche getroffene Beschluss der Niederlande über die Einschränkung der Arbeitnehmer-Freizügigkeit: Demnach sollen Jobsuchende aus den neuen EU-Mitgliedsländern nach dem 1. Mai nur für jene Bereiche des Arbeitsmarktes zugelassen werden, in denen nicht genügend Niederländer zur Verfügung stehen. Zuvor hatte Den Haag zugesagt, dass die Arbeitnehmer-Freizügigkeit nicht eingeschränkt werden würde.

Der tschechische Ministerpräsident Vladimir Spidla hat nun seinerseits Maßnahmen zum Schutz des tschechischen Arbeitsmarktes angedroht und meinte: "Es gilt das Prinzip: Wie man in den Wald hinein ruf, so schallt es zurück". Der slowakische Ministerpräsident Mikulas Dzurinda meinte durch die Blume, er habe Verständnis für die Zugangsbeschränkungen am Arbeitsmarkt, aber die Slowakei müsse auch ihre eigenen Interessen verfolgen. Er hob hervor, dass die Niederlande an zweiter Stelle bei den ausländischen Investoren in der Slowakei liegen. Laut Auskunft der slowakischen Botschaft überlegt nun auch die Slowakei Maßnahmen gegenüber Bürgern von Ländern, die ihrerseits Übergangsregelungen für slowakische Arbeitnehmer haben. Selbiges gilt für Ungarn. Die endgültige Entscheidung hänge von den weiteren Verhandlungen mit den anderen EU-Ländern ab, erklärte Anzelm Barany, Presseattaché der ungarischen Botschaft in Österreich gegenüber der "Wiener Zeitung". Von slowenischer Seite gab es diesbezüglich bisher keine Ankündigungen, allerdings bemüht sich Sozialminister Vlado Dimoski intensiv um die rasche Einführung des freien Personenverkehrs mit Österreich und möglichst kurze Übergangsfristen.

Zweitwohnsitze, Grundstücke und Immobilien

So wie sich die "alten" EU-Länder offenbar vor einer Überschwemmung mit Arbeitskräften aus den "neuen" EU-Ländern fürchten, schützen sich die Beitrittsländer vor dem Ausverkauf ihres Grund und Bodens an Ausländer. Oder sie versuchen es zumindestens, denn die meisten Regelungen lassen sich - und ließen sich auch schon bisher - durch Firmengründungen im jeweiligen Land umgehen.

In der Tschechischen Republik können die bestehenden Schutzregelungen für den Erwerb von Zweitwohnungen nach dem EU-Beitritt weitere fünf Jahre aufrecht bleiben. Für landwirtschaftliche Flächen und Wälder gilt eine Übergangsfrist von sieben Jahren. In der Praxis erwerben Ausländer die gewünschten Objekte allerdings über einheimische Firmen oder Mittelsmänner - "wer wirklich will umgeht das Gesetz einfach", erklärt jüngst Daniel Krejca, Geschäftsführer der Prager Immobilienagentur Akropolis über Radio Prag. Die restriktiven Regelungen gelten nämlich nur für "Staatsangehörige der Mitgliedstaaten ohne Wohnsitz in der Tschechischen Republik und ... Gesellschaften, die nach den Gesetzen eines anderen Mitgliedstaats gegründet wurden und im Hoheitsgebiet der Tschechischen Republik weder niedergelassen sind noch dort eine Niederlassung oder eine Vertretung haben ...".

Auch die Slowakei hat die Möglichkeit einer siebenjährigen Übergangsfrist für den Erwerb von landwirtschaftlichen Flächen und Wäldern erwirkt. Ausnahmen gibt es jeweils für selbstständige Landwirte, die bereits eine bestimmte Zeit im jeweiligen Land wohnen bzw. dort wohnen werden.

In Ungarn ist die Sorge um den Ausverkauf der landwirtschaftlichen Flächen besonders groß, erklärt Edina Czegledy, Anwältin bei Freshfields Bruckhaus Deringer in Budapest, wo ebenfalls eine siebenjährige Übergangsfrist gilt, die sogar auf 10 Jahre verlängert werden kann, wie Czegledy betont. Ausländer können nur ein "Gehöft" - also ein genau definiertes kleines Grundstück mit Hof kaufen. Ausgenommen von den Einschränkungen sind wieder selbstständige Landwirte aus den Mitgliedsstaaten, wenn sie schon drei Jahre in Ungarn wohnen und hier wirtschaftlich tätig sind. Wer in Ungarn einen günstigen Zweitwohnsitz erwerben möchte, benötigt dazu als Ausländer eine "Verwaltungsgenehmigung". Diese zu bekommen sei erstens einigermaßen kompliziert und zweitens von der Beurteilung des jeweiligen Beamten abhängig, da es sich bei der zugrunde liegenden gesetzlichen Regelung um einen sogenannten "Gummiparagrafen" handelt, der besagt, dass die Genehmigung nur dann erteilt werden darf, wenn die Interessen der Verwaltung oder sonstige öffentliche Interessen nicht verletzt werden. Mieten sei hingegen problemlos möglich, erklärt Czegledy, allerdings wiederum nicht landwirtschaftliche Flächen - die können gepachtet werden, aber nur maximal für 20 Jahre (und nicht mehr als 300 Hektar). Auch in Ungarn sei es üblich, dass Ausländer aus anderen EU-Staaten, die hier Immoblien kaufen wollen, eine ungarische Gesellschaft gründen und damit die Regelung mit der Verwaltungsgenehmigung umgehen.

In Slowenien wurde die Möglichkeit zum Erwerb von Grundstücken und Immobilien in den vergangenen Jahren deutlich liberalisiert, erklärt Helmut Moritz von der Wirtschaftsprüfer- und Steuerberatungskanzlei Leitner+Leitner Wien. So können seit Februar 2003 jene Staatsbürger Immobilien erwerben, in deren Land auch umgekehrt Slowenen Immobilien kaufen können. Es besteht also die "Voraussetzung der Gegenseitigkeit", erläutert Moritz. Dennoch ist in den EU-Beitrittsvereinbarungen eine Klausel enthalten, wonach Slowenien für Immobilien eine siebenjährige Übergangsfrist in Anspruch nehmen kann.

Die Angelegenheit bleibt also trotz EU-Beitritt vorerst kompliziert - auf allen Seiten. Wer in den neuen EU-Ländern investieren möchte sollte jedenfalls einen Rechtsexperten zu Rate ziehen.

Original-Dokumente zur EU-Erweiterung und den Übergangsregelungen: http://europa.eu.int/comm/enlargement/