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"Der Chef ist auch nur ein Mensch." | Zehn Gebote für ein angenehmes und faires Arbeitsleben. | Wien. Ein Chef steckt beim Abendessen im Haus seines Mitarbeiters heimlich eine Packung Toilettenpapier ein - das klingt absurd, aber nicht besonders spektakulär. Umgekehrte Fälle sorgten in letzter Zeit jedoch für Aufregung: Beschäftigte nehmen Fleischlaibchen oder Maultaschen mit nach Hause - und verlieren deswegen ihren Job.
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Dass Perspektivenwechsel wie diese gegen Frust im Job helfen, zeigen die deutschen Autoren Manuel Tusch und Volker Kitz in ihrem Buch "Ohne Chef ist auch keine Lösung".
Ihre Hypothese: Ohne Vorgesetzte geht es nicht - also sollten Mitarbeiter und Chef miteinander auskommen. Da sie einen Großteil ihres Tages miteinander verbringen, sollten sie den Standpunkt des Gegenübers verstehen lernen - indem sie sich ab und zu in die Schuhe des anderen hineinversetzen. "Was so banal klingt, wird aber leider selten umgesetzt", sagt Tusch zur "Wiener Zeitung". Er plädiert für mehr Menschlichkeit am Arbeitsplatz: Der Chef sei auch nur ein Mensch - und der Mitarbeiter nicht nur eine Nummer.
"Robin-Hood-Impuls"
Hinter Bagatelldelikten steht der "Robin-Hood-Impuls", meint Tusch: "Der Mitarbeiter will sich mit dem Einstecken einer Maultasche Gerechtigkeit verschaffen, weil er am Vortag drei Überstunden geleistet hat." Der Arbeitgeber reagierte mit einer "Holzhammer-Kündigung".
Das Verhalten beider Seiten erklärt Tusch mit der Verletzung des "psychologischen Arbeitsvertrages", also den unausgesprochenen gegenseitigen Erwartungen: Der Arbeitnehmer wünscht sich Anerkennung, der Chef erwartet, dass ein Mitarbeiter in der Arbeit mehr tut, als nur seine Zeit abzusitzen. "In wirtschaftlich schwierigen Zeiten liefern sich Arbeitnehmer mit Bagatelldelikten selbst ans Messer", warnt Tusch: "Sie liefern dem Vorgesetzten eine wunderbare Kündigungsvorlage." Mitarbeiter sollten ihren "Robin-Hood-Impuls" unterdrücken und es stattdessen direkt aussprechen, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen.
Bei Konflikten rät Tusch, konstruktiv zu bleiben: "Die erste Reaktion - Du Dummkopf - provoziert einen Gegenangriff." Besser sei eine Ich-Botschaft, in der man die Situation neutral beschreibt sowie seine Gefühle und schließlich sein Anliegen vermittelt.
Keine Märchen erzählen
Gegen Frust am Arbeitsplatz stellen die beiden Autoren zehn Gebote auf: "Du sollst nicht die Brüder Grimm sein" bedeutet etwa, dass Vorgesetzte ihre Mitarbeiter nicht mit Märchen über Aufstiegschancen oder die Situation des Unternehmens bei der Stange halten sollen. "Das Gebot richtet sich aber auch an Mitarbeiter, die Verantwortung für ihre Fehler übernehmen sollten", sagt Tusch.
Das Gebot "Du sollst keine Lottozahl sein" bedeutet, dass "Chefs sich nicht flatterhaft wie ein Fähnchen im Wind bewegen sollen". Denn ohne konkrete Anweisungen können Mitarbeiter es ihrem Vorgesetzten nie recht machen. Jedoch sollten auch die Mitarbeiter Verlässlichkeit demonstrieren.
Generell entsteht am Arbeitsplatz oft unnötig Frust, meint Tusch. Fehlendes Feedback sei oft nicht böse gemeint - dennoch sei die Enttäuschung groß, wenn ein Mitarbeiter viel Mühe in ein Projekt steckt und keine Rückmeldung erhält. "Versetzt sich der Arbeitnehmer aber in die Lage seines Chefs, bemerkt er, dass der Chef noch 30 weitere Mitarbeiter hat und er nicht immer alle loben kann", so Tusch. In dieser Situation empfiehlt der Autor den "Postboten-Test": "Haben Sie dem Postboten, Busfahrer oder der Haushälterin heute gedankt?"